Analyse: Forensik auf Lichtscheid - Der Schachzug der Ministerin

Vermutlich schon bald wird der Oberbürgermeister einen anderen Standort anbieten, um aus der Zwickmühle zu kommen.

Wuppertal. Rabiat, aber wirkungsvoll. Mit ihrer Entscheidung, eine forensische Klinik für 150 Patienten direkt im Wohngebiet auf Lichtscheid errichten zu wollen, hat NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) Oberbürgermeister Peter Jung (CDU) erstens massiv unter Druck gesetzt und zweitens eindrucksvoll klar gemacht, wer der Chef im Ring ist.

Vor einem Jahr hatte es bereits die Anfrage des Ministeriums an Städte in NRW gegeben, ob und wo diese geeignete Plätze für den Maßregelvollzug sehen würden. Aus Wuppertal kam die Antwort, dass es in der Stadt gar keine geeigneten Plätze gebe. Die Stadtspitze hatte offenbar erwartet, dass ihr Entgegenkommen, ein Jugendgefängnis mit 600 Plätzen in Ronsdorf zu errichten, beim Land so viel Dankbarkeit erzeugen würde, dass Wuppertal als Standort für eine forensische Klinik ausgenommen werde. Das war eine Fehleinschätzung.

Im Gegenteil: Die Ministerin hat knallhart und aus ihrer Sicht logisch reagiert. Der Standort auf dem derzeitigen Gelände der Bereitschaftspolizei gehört dem Land, hat die benötigte Größe von fünf Hektar und das Land kann — bei Bedarf — zügig Baurecht herstellen. Das heißt: Die Stadt hat auf juristischem Weg keine Chance, die Klinik auf Lichtscheid zu verhindern.

Das weiß natürlich auch der Oberbürgermeister, und das ist vor allem vor dem Hintergrund bitter, dass die Stadt nach dem Wegzug der Bereitschaftspolizei auf dem Hanggelände exklusive Häuser in Südwestlage anbieten wollte — mit grandiosem Fernblick auf den Kothener Wald und über die Stadt hinweg. Das Gelände der Polizei ist ein Filetstück für die Entwicklung Wuppertals — und nun durch die Grüne Ministerin wirkungsvoll blockiert.

Jung steckt also in der Zwickmühle. Deswegen wird der Oberbürgermeister nun alles daran setzen, die Entscheidung rückgängig zu machen. Das kann er aber nicht, indem er sich verweigert. Das Spiel läuft anders: Jung wird der Ministerin schon in kurzer Zeit ein anderes geeignetes Grundstück in Wuppertal anbieten, um dort die benötigte forensische Klinik errichten zu können.

So wird es dann für alle Parteien gelingen, ohne Gesichtsverlust aus der Diskussion herauszukommen. Der Oberbürgermeister hat verhindert, dass eines der prosperierenden Gebiete Wuppertals nachhaltig abgewertet wird — die Ministerin hat ihren Standort für den Maßregelvollzug und muss nicht den Unmut der Bürger fürchten, die ja dann auch keine Unterstützung von der Stadt mehr erhalten.

Gewinner sind die Wuppertaler, die auf Lichtscheid wohnen, und besonders die Familien, die dort gerade Häuser gekauft haben sowie die Anwohner, die dort schon lange leben.

Es gibt aber auch Verlierer: Die Wuppertaler Grünen werden in der nächsten Zeit erheblichen Erklärungsbedarf haben, wenn es um die von Ihnen so vehement propagierte Bürgerbeteiligung geht. Die Entscheidung der Ministerin war nämlich alles andere als ein Meisterstück der direkten Demokratie.

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