Als DJ auf der Loveparade: „Es musste erst mal weiter gehen“

Tim Grünewald stand am Mischpult als das Unglück passierte. Butan-Chef Tobias Wicht war eigentlich mit dem Manager von David Guetta verabredet, sagte den Termin aber daraufhin ab.

Duisburg/Wuppertal. Auch drei Tage nach der Massenpanik auf der Duisburger Loveparade, bei der 20 Menschen starben und nach aktuellen Erkenntnissen mehr als 500 verletzt wurden, stellt sich die Frage, wie es zu dem Unglück kommen konnte. War das Gelände für den enormen Andrang ungeeignet? War es richtig, die Party fortzusetzen? Die WZ hat mit Wuppertalern gesprochen, die als DJ oder Fotograf dabei waren und noch immer unter dem Eindruck des Erlebten stehen.

Das Wuppertaler DJ Duo Screaming Disco, bestehend aus Tim Grünewald und Fabrizio Costa, stand am Samstagnachmittag auf einem der Loveparade-Wagen, als sie auf einmal in mehreren SMS gefragt wurden, ob es ihnen gut gehe. "Daraufhin haben wir häppchenweise von dem Unglück erfahren", sagtTim Grünewald, der zu der Zeit am Mischpult stand und eigentlich für Stimmung sorgen sollte. "Mir war direkt klar, dass es erst einmal weitergehen musste", erinnert sich Grünewald. Die Veranstalter erklärten später, dass es vor allem darum ging, eine Massenflucht von dem Gelände zu verhindern. Verlässliche Informationen zu bekommen sei äußerst schwierig gewesen. "Alles hat sich immer durch Mundpropaganda verbreitet, so genau Bescheidwussten wir nie wirklich. Es war ein Mischmasch aus Selbstorganisationund den Häppchen der Veranstalter."

Auch Patrick Kolek, der als freier Fotograf auf der Loveparade unterwegs war, selbst gegen 14.30 Uhr durch den gut gefüllten Tunnel auf das Gelände gelangt ist und zum Zeitpunkt der Tragödie ebenfalls auf einem der LKW stand, sagt: "Ich habe beobachtet, wie der Tunnel abgeriegelt wurde. Die Musik wurde kurz leiser gedreht und es gab eine Polizei-Durchsage, dass der Tunnel geschlossen sei." Kolek kritisiert, dass keine Ausweichräume geschaffen wurden. "Man hätte doch einfach nur die Bauzäune öffnen müssen, drumherum war jede Menge Platz, auf den die Leute hätten ausweichen können. Die angrenzende Autobahn war ohnehin gesperrt, darauf hätte man die Leute leiten können."

Tobias Wicht, Betreiber des bekannten Wuppertaler Butan Clubs, wargerade auf dem Weg nach Duisburg, um sich mit dem Manager von DJ David Guetta zu treffen, als er im Radio von dem tödlichenUnglück erfuhr. Er machte daraufhin kehrt,sagte seinen Termin ab. Bei der vorangegangenen Loveparade in Essen war der Club-Betreiber noch miteinem eigenen Wagen dabei gewesen. Auch in Duisburg war zunächste inButan-Float geplant, nachdem Wicht das Gelände gesehen hatte, nahm erdavon Abstand. "16 Wagen, die im Kreis fahren, auf denen vor der Hauptbühne nicht aufgelegt werden kann, das war uninteressant für mich."

Im Nachhinein steht das Gelände, vor allem aber der enge Zugang über nur einen Tunnel in der Kritik.WZ-Fotoscout Laura Eckes war mit zwei Freundinnen unterwegs und ging etwa eineinhalb Stunden vor dem Unglück durch den Tunnel. Das erste, was wir dachten, als wir uns dem Eingang näherten, war nur 'Oh Gott!Muss man jetzt durch diesen Tunnel?' Als wir dann das zweite Mal durch den Tunnel mussten, weil wir auf der Suche nach Toiletten waren, war alles schon so dicht gedrängt, dass niemandmehr durchkam und viele Leute uns schon entgegenkamen und uns warnten, wirsollten 'bloß nicht weitergehen'", beschreibt Laura Eckes.

DJ Tim Grünewald beschreibt seinen erstenEindruck von dem Gelände so: "Wir sind vorher um das ganze abgesperrte Gelände gegangen und habenschon um 10 Uhr einstimmig gesagt, dass das ein Riesenchaos geben wird.Mit so einer Trägodie haben wir natürlich nicht gerechnet, so etwaskonnte man sich nicht ausmalen. Mich hat die ganze Sache sehrmitgenommen, aber wir mussten weitermachen, damit nicht die vielenRaver vor Ort auch noch in Panik gerieten. "

Patrick Kolek erinnert sich, dass es auf dem Platz immer genügend Bewegungsfreiheit gab, sich die Menschenmassen gut verteilten. "Allerdings war zu dem Zeitpunkt davon die Rede, dass 350.000 Leute da waren. Es wurde aber mit einer Million Menschen gerechnet und die hätte der Platz niemals fassen können. Und der Tunnel erst recht nicht."

Weitere Informationen und Hintergründe lesen Sie am Dienstag in Ihrer Westdeutschen Zeitung.

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