Stadtjubiläum Als der Oberbürgermeister mit der Honda in den Ratssaal fuhr

Die Narren zwischen Beyenburg und Vohwinkel blicken auf eine lange und bunte Geschichte zurück.

 Der Alt-Elferrat mit dem Ex-Außenminister Hans Dietrich Genscher.

Der Alt-Elferrat mit dem Ex-Außenminister Hans Dietrich Genscher.

Foto: ja/Guido Werner

So oft die Frage nach dem Alter des Wuppertaler Karnevals gestellt wird, so verschieden wird sie beantwortet. Ohne Zweifel ist aber vor 150 Jahren in Elberfeld und Barmen Fastnacht prunkvoll gefeiert worden. Fest steht, dass es auch vor 200 Jahren im Tal der Wupper zwischen Beyenburg und Vohwinkel, unverwüstliche Narren gab. Sie gebärdeten sich brav und bieder. Sie wollten nur “Spaß an d’r Freud“. Die älteste „einschlägige“ Protokolleintragung datiert auf den 3. März 1675, über „Fasnachts- und Saufmahlzeiten“, dieses heidnische Werk, das sich den Christen nicht geziemt. In einer Bekanntmachung vom 7. Februar 1839 wurde das Maskieren oder Verkleiden auf Bällen, gegen Erwerb einer polizeilichen Genehmigung (für 6 Silbergroschen – zum Besten der Armen) für einen Abend erlaubt.

Den ersten Rosenmontagszug hatte Barmen 1866, in dem echt bergischer Witz und Humor sprühten, der den Karnevalisten alle Ehre machte. In den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts nahm der Karneval feste Gestalt an, immer mehr Gesellschaften hoben ihre Elferräte aus der Taufe.

Leider setzte der Ausbruch des Weltkrieges dem Karneval ein unerwartetes Ende. Selbst in den 20er Jahren fehlten Mut und Geld, so fuhren die Erz-Karnevalisten nach Köln. In den 30er Jahren rührte es sich wieder im Wuppertaler Karneval. Neue Gesellschaften entstanden, wie: Carnap 07; KG elf Alten, die später in Ka.Ge. Olle Lembeck aufging; so wie Ka.Ge. Ehrengarde; die Jonges vam Westkotten; 1935 kamen die Ka.Ge.Heckinghausen; die Barmer Karnevalsgesellschaft, welche später zur „Großen Barmer Karnevalsgesellschaft“ umbenannt wurde.

Den misstrauischen Nazis passten diese Klubbildungen nicht, hier konnte eine Verschwörung angezettelt werden. 1938 verbot der „braune Mann“ (Strassweg) den Zug und ein Prinzenpaar: Im dritten Reich konnte nur einer die Rolle des Führers spielen. Nach langen Diskussionen gestattete er eine „Wupper-Elfe“ und bewilligte sogar 12.000 Reichsmark.

Nach dem Zweiten Weltkrieg machten die Karnevalszünfte ihr Schiff mit fröhlicher Besatzung wieder flott. Als Präsident der „Vereinigten Wuppertaler Karnevalsgesellschaften“ brachte Werner Draudt alljährlich 23 Gesellschaften zusammen. Sie schlossen sich später dem „Verband Rheinisch-Bergisch-Märkischer Karnevalsgesellschaften“ an, in dem heute 85 Gesellschaften eine Stimme haben. Dieser Verband ist wiederum dem „Bund Deutscher Karneval“ angeschlossen, der heute mit seinen fast 5200 eingeschriebenen Gesellschaften und 2,6 Mio. Menschen die Interessen des gesamten Deutschen Karnevals vertritt.

Die Wuppertaler feiern ja, wie bekannt, den eigenen bodenständigen Karneval. Sie wollten kein Allaaf und kein Helau, so baten sie 1951 in einer Arbeitssitzung Peter Tappe (war jahrelang Präsident und Ehrenpräsident der Ka.Ge.Heckinghausen), er möge sich Gedanken machen. Nach einer Stunde stürmte er zurück in das Versammlungszimmer und rief laut:  Wupp-Di-Ka, als Synonym für….Wuppertal-Die-Karnevalisten.      In den 50er, 60er und 70er Jahren fusionierten sehr viele Gesellschaften, da sie nicht in der Lage waren, einen Elferrat auf die Beine zu stellen. Es war auch die Zeit des sogenannten „Karnevals des Füllhorns“. Große Brauereien wie Wicküler oder Bremme waren dem Karneval mehr als zugetan. Die großen Kaufhäuser, Modehäuser und ein Schuhgeschäft der Stadt waren aus dem Sponsoring nicht wegzudenken. Es musste sich kein Prinzenpaar um Wurfmaterial kümmern, das war schon im Prinzenvertrag festgeschrieben. Man hatte in der Brauerei nicht gefragt: „Was tun wir auf den Wagen?“ sondern „Was kriegen wir auf den Wagen?“

Nicht nur die großen Firmen, auch die Politik war dem Wuppertaler Karneval wohlgesonnen. So wurde der Ratssaal am Rosensonntag für den Oberbürgermeisterempfang umdekoriert und Mitglieder des Rates der Stadt, Dezernenten und hochrangige Persönlichkeiten aus Politik, Gesellschaft und dem Karneval, wurden zur Stadt-Schlüsselübergabe eingeladen. Unvergessen bleibt dabei die Aktion von OB Gottfried Gurland, der 1977 um Punkt 10 Uhr mit einer Honda Monkey in den proppevollen Ratssaal fuhr, dem Kennzeichen W-2000, des OB, bestückt. Zu der Zeit übte Otto Grenzdörfer (1970-1982) eine wahrhaft große Karriere, als Präsident (FWK), aber auch eine Vaterrolle für viele Karnevalisten aus.

Dieser schlug nach der Ära Werner Draudt eine Richtung ein, die dem Wuppertaler Karneval mehr als gut getan hat. Er verstand es, mit viel Geduld und Mutterwitz unzählige Türen in dieser Stadt zu öffnen. Bei ihm galt noch das Wort und der Handschlag. Wichtig war ihm, dass man miteinander sprach, auch wenn es mal fünf „unangenehme Minuten“ gab, aber dann war es ausdiskutiert. Heute, in Zeiten von Facebook und Whatsapp, spricht man lieber über andere statt miteinander. 1979 übernahm er auch noch das Amt als Vorstandsmitglied und Präsident „Rhein-Berg-Mark“ für 25 lange Jahre.

Die nächste Amtszeit als FWK-Präsident übernahm Hans Hermann Bock, der mit seinen Beziehungen zum Kölner Karneval versuchte, den Wuppertaler Karneval auf ein gehobenes Level zu führen, man wollte aber bodenständig bleiben. Heute sagen sich jedoch einige, wohin wäre der Weg gegangen, wenn? Viele Altkarnevalisten haben heute das Gefühl, man hätte diesen Weg einschlagen sollen. Nun folgte der Präsident der Prinzengarde zu seiner elfjährigen FWK-Amtszeit, der sowohl Prinzengarde wie auch FWK von seiner Autovermietung auf der Höhne aus steuerte. Er pflegte seine Kontakte zur Wirtschaft immer bestens durch gemütliche Abende in der Bauernschenke auf der Gathe oder im Narrenkeller.

Für ihre Lebensleistungen erhielten die Präsidenten Alfred Sellinghoff, Otto Grenzdörfer und Werner Boes 1994 den Toleranzorden. Johannes Rau, Hans Dietrich Genscher, Harald Leipnitz und Wolfgang Sauer gehörten zu den Gästen im Narrenkeller am Loher Bahnhof. Selbst Gäste aus den Hochburgen Köln und Düsseldorf waren neidisch auf das Gewölbe und lobten die „einzigartige Atmosphäre“. Es ergab  sich einfach für jeden Karnevalisten im Tal und darüber hinaus, als Selbstverständlichkeit, nicht nur einmal während der Session hier Gast gewesen zu sein. Wie schon der Refrain des Narrenkellerliedes sagt: „Bist du erst drin, dann nimm es in Kauf, denn wenn du raus kommst, geht die Sonne gerade auf.“ Nach diesem Motto war in der Session jedes Wochenende Karnevalsparty mit Stimmungsgrößen wie Fritz Windhagen mit seinem „Tättärä, der Puff ist Pleite“ oder Paul Decker mit „Et Lehnchen vom Tippe Tappe Tönchen“.

2012 kam dann der Schock, der neue Besitzer machte  Eigenbedarf geltend  und zerstörte damit eine Institution des Wuppertaler Karnevals.. Darüber trauern die Karnevalisten wahrscheinlich noch bis der letzte, der dort Gast war, nicht mehr lebt.

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