Wuppertal „Achten Sie auf Ihre Worte und die Worte anderer“

Gedenkfeier auf dem jüdischen Friedhof erinnert an die Reichspogromnacht 1938, in der unter anderem die beiden Wuppertaler Synagogen in Brand gesetzt wurden.

 Leonid Goldberg, Vorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde Wuppertal, sprach bei der Gedenkfeier auf dem Jüdischen Friedhof.

Leonid Goldberg, Vorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde Wuppertal, sprach bei der Gedenkfeier auf dem Jüdischen Friedhof.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Zum 81. Mal hat sich am Wochenende die Reichspogromnacht gejährt, in der auch in Wuppertal Synagogen und jüdische Gebetshäuser brannten. Auf dem Jüdischen Friedhof fand am Sonntag die Gedenkfeier statt, die an die Opfer dieser Nacht erinnern sollte.

Leonid Goldberg, Vorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde Wuppertal, erinnerte nicht nur an die Ereignisse, die in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 geschahen, sondern blickte auch auf gegenwärtige Geschehnisse wie das Attentat in Halle: „Warum müssen erst fürchterliche Dinge passieren, bis Deutschland aufwacht?” Vieles würde zu oft relativiert oder ignoriert werden. Wenn das Wort Jude als Schimpfwort gebraucht werde oder es Todesdrohungen gebe, würde er sich die nächsten Schritte in Deutschland gar nicht erst ausmalen wollen. „Das ist heute und nicht 1938”, so Goldberg. Er frage sich, wie lange es jüdische Gemeinden wohl noch geben werde. „Ich will nicht mehr”, sagte er in seiner Rede und wiederholte dann mit Nachdruck: „Ich will nicht mehr Revue passieren lassen.” Er wolle stattdessen über die „haarsträubenden Ereignisse von heute” reden und bat darum, aktiv dafür zu sorgen, dass sich die Ereignisse von 1938 nicht wiederholen. „Ich möchte Sie aus tiefstem Herzen auffordern, achten Sie auf Ihre Worte und die Worte anderer, greifen Sie ein, empören Sie sich, zeigen Sie Zivilcourage”, appellierte er an die Zuhörer.

Oberbürgermeister Andreas Mucke wies darauf hin, für die eigenen Werte einzustehen, sich dem Antisemitismus klar entschlossen entgegenzustellen und zu zeigen, dass es Grenzen gibt. „Es gibt genügend Anlass, um Sorge zu haben. Das Unsagbare ist heute wieder sagbar geworden. Auch hier vor unserer Haustür geschieht das”, erklärte er. Bildung sei erforderlich, den Menschen müsse eine Orientierung und eine Perspektive gegeben werden.

Pfarrerin Waltraud Hummerich sagte, ihr seien die Worte Goldbergs sehr nah gegangen. Sie versuche Schülern ein Bewusstsein zu vermitteln. Die Bedrohung, die heute erlebt würde, müsse wahrgenommen werden. „Man müsste in der Schule thematisieren, wie Juden heute leben, mitten in unserer Gesellschaft”, sagte sie. Junge Menschen hätten dieses Bewusstsein oft nicht.

Ulrike und Hans Hörster von der Christlich-Jüdischen Gesellschaft sehen es als ihre Verpflichtung der Geschichte gegenüber, die Gedenkfeier jedes Jahr zu besuchen. „Die aktuellen Gründe führen dazu, dass wir unsere Solidarität den Juden gegenüber bekunden wollen”, so Hans Hörster.

Zum Gedenken wurden Blumenkränze niedergelegt und ein Gebet gesprochen. Leonid Goldberg sagte, dass er sich mehr junge Menschen bei der Gedenkfeier gewünscht hätte: „Bei Fridays for Future sind Tausende von Jugendlichen. Wo waren die heute?”

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