Sterbegelder 20.000 Versicherte in Wuppertal erhalten nur noch gekürzte Leistungen

Wuppertal · Turbulente Zeiten bei den Sterbekassen in Wuppertal: Der Vorsitzende veruntreute Gelder. Die Kosten sind nicht mehr zu 100 Prozent gedeckt.

 Viele Wuppertaler sorgen mit ihren Beiträgen für die Sterbekasse dafür, dass ihre Hinterbliebenen später keine Kosten haben.

Viele Wuppertaler sorgen mit ihren Beiträgen für die Sterbekasse dafür, dass ihre Hinterbliebenen später keine Kosten haben.

Foto: picture alliance/dpa/Christin Klose

Für die eigene Beerdigung vorsorgen, damit die Angehörigen nicht mit den hohen Kosten belastet werden – das ist die Idee des Versicherungsvereins Wuppertal und des Bergischen Versicherungsvereins. Seit Jahrzehnten werden beide Versicherungen in Bürogemeinschaft in Elberfeld verwaltet. In den 1920er Jahren wurden im Ruhrgebiet und Bergischen Land viele nachbarschaftliche Sterbekassen gegründet. Im Laufe der Jahre sind sie in den beiden Wuppertaler Versicherungen aufgegangen. Rund 20 000 Mitglieder haben die beiden Vereine derzeit.

Doch die Bezirksregierung entdeckte 2015 bei einer Prüfung Unregelmäßigkeiten. „Die Rückstellungen reichen für die dauernde Erfüllbarkeit unserer Verpflichtungen gegenüber den Versicherungsnehmern (Deckungsrückstellung) nicht mehr aus“, heißt es dazu auf der Homepage.

Staatsanwaltschaft hat Anklage in sieben Fällen erhoben

Einerseits bringen die niedrigen Zinsen wie bei allen Versicherern Probleme. Andererseits hat sich der langjährige Vorsitzende offensichtlich in den Kassen bedient. „Die Staatsanwaltschaft Wuppertal hat wegen Untreue in sieben Fällen Anklage gegen Rolf B. erhoben“, sagt Pressedezernentin Anne Tielmann, Richterin am Amtsgericht. So soll er sich zwischen 1995 und 1998 im Namen der Vereine Darlehen gewährt haben. Als Sicherheit soll er Grundschulden auf seine Grundstücke eingetragen haben, die jedoch unter dem Wert der Darlehenssummen lagen. 2016 habe er dann die Rückzahlungen der Darlehen eingestellt. Außerdem habe er einen zweiten Dienstwagen gekauft, der nicht im Vertrag vorgesehen war, so die Anklage.

Durch den Tod des Angeklagten wurde das Verfahren im Juni 2019 eingestellt. Vorher hatte er wohl noch seine Immobilien zugunsten des Versicherungsvereins verkauft. Durch seine lange Krankheit hatte er auch schon länger keine neuen Versicherungen mehr verkauft, so dass Nachwuchs fehlt.

Seit 2015 kümmern sich jetzt zwei von der Bezirksregierung eingesetzte Sonderermittler um die Versicherungsvereine. Der vorherige Vorstand wurde seiner Ämter enthoben. Rund ein Jahr lang fror die Bezirksregierung bis Ende 2016 alle Zahlungen ein, um sich einen Überblick über die Lage zu verschaffen. Seit 2017 werden wieder Sterbegelder ausgezahlt – allerdings gekürzt. Ein Aktuar hat ein versicherungsmathematisches Gutachten erstellt und die künftigen Sterbegelder ausgerechnet. Die Berechnungen sind sehr kompliziert, weil es unterschiedlichste Tarife gibt. Manche Versicherte zahlen nur 1,50 Euro im Monat ein, andere 20 Euro im Monat. Dementsprechend groß ist die Differenz bei den Auszahlungssummen. Die im Vertrag vereinbarten Sterbegelder werden jetzt beim Versicherungsverein Wuppertal um neun Prozent und beim Bergischen Versicherungsverein um acht Prozent gekürzt. Wer seinen Vertrag vorzeitig kündigen will, erhält 90 Prozent der Nettodeckungsrückstellung zurück.

Kommunikation mit Mitgliedern funktioniert nur eingeschränkt

Ein weiteres Problem ist die Information der Mitglieder: Die Verwaltungssoftware der Versicherungsvereine ist so alt, dass sie mit keiner modernen Software kompatibel ist. Die Daten der Versicherungsnehmer lassen sich nicht in Excel exportieren. Deshalb kann auch kein Serienbrief geschrieben werden. Informationen gibt es aus diesem Grund nur über die Homepage des Vereins oder auf direkte Nachfrage. Letztere ist trotz einer hauptamtlichen Kraft nur an drei Stunden pro Woche telefonisch möglich.

Gerade erstellen die beiden Sonderbeauftragten die Jahresabschlüsse für 2017 und 2018 sowie ein Gutachten zum 31.12.2018. „Voraussichtlich im Frühjahr 2020 werden uns diese Unterlagen vorliegen. Weitere Aussagen zur Zukunft der Kassen können dann erst nach Auswertung der Unterlagen erfolgen“, sagt Bernd Staschkiewicz. Dann erst steht fest, ob weitere Kürzungen nötig sind.

Auf jeden Fall möchten die Sonderbeauftragten gerne neue offizielle Gremien für die beiden Vereine schaffen. Sie waren 2015 geschlossen zurückgetreten. Jetzt müsste eine Mitgliederversammlung einberufen werden und sowohl eine neue Mitgliedervertretung als auch ein Vorstand und ein Aufsichtsrat gewählt werden. Sobald eine Lösung für das EDV-Problem gefunden ist, möchten die Sonderbeauftragten das in die Wege leiten. Eines aber steht für Bernd Staschkiewicz fest: „Nebenberuflich kann niemand die Verwaltung dieser 20 000 Verträge übernehmen. Das ist richtig viel Arbeit.“

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