„150 000 Wuppertaler sägen nachts die Wälder ab“

Interview: Udo Bertram (62) vom Verein Schlafapnoe spricht darüber, wie ermüdend gestörter Schlaf ist und wie ein neues Online-Angebot aufklären soll.

Herr Bertram, kann Schlaf krank machen?

Udo Bertram: Der Körper ist wie eine Batterie, die abends leer ist. Im Schlaf werden vier Tiefschlafphasen durchlaufen, die vier Mal erreicht werden müssen, damit die Batterie am Ende wieder aufgeladen ist. Menschen mit Schlafstörungen erreichen nur die zweite Stufe. Daher ist auch ihre Batterie nicht ganz gefüllt: Sie sind müde, nicht leistungsfähig, die Konzentration lässt nach, es kommt zu hohem Blutdruck, Potenzstörungen. Man fühlt sich, als hätte man durchgefeiert und danach zu wenig geschlafen, ist nicht gut drauf - und das immer.

Bertram: Wenn man keine Atemaussetzer hat, ist Schnarchen unbedenklich. Allerdings ist es störend für den Partner und wirkt sich negativ auf die Lebensqualität aus. Gefährlich wird’s, wenn die Atmung aussetzt.

Bertram: Genau. Die Aussetzer können zwischen 30 Sekunden und zwei Minuten dauern und sich 200 bis 800 Mal in einer Nacht wiederholen. Das ist, als würde man 800 Mal geweckt werden, ohne es nachher zu wissen - denn die Betroffenen bekommen das auch nicht bewusst mit. Das Besondere ist, dass die Atemstillstände nicht beim Einatmen, sondern beim Ausatmen einsetzen. Das Herz wird dann nicht mit genug Sauerstoff versorgt. Wenn das über längere Zeit geschieht, sterben Gehirnzellen ab.

Bertram: Nicht nur Schlafstörungen, auch das Schlafen selbst. Es gibt mehr als 80 verschiedene Schlafstörungen, aber man spricht nicht darüber. Deutlich wird das zum Beispiel bei Gesprächen unter Bekannten oder Arbeitskollegen: Sie unterhalten sich über schlimme Krankheiten wie Krebs, aber nicht übers Schlafen. Als es um die Bankenkrise ging, wurde gefragt "Haben die geschlafen?", unartigen Kindern wird gedroht, dass sie früh ins Bett müssen. Das Thema Schlafen wird in unserer Gesellschaft negativ angesehen.

Bertram: Ja, darauf haben wir fünf Bereiche eingerichtet: Schnarchen, Schlafapnoe, Sekundenschlaf, Schlafstörungen und Schnarchi, unsere Märchenseite. Wir haben also nicht nur medizinische Berichte, sondern zeigen beispielsweise auch Filme, in denen ich die Leute auf der Straße interviewe. Das ist eine andere Form der Aufklärungsarbeit. Für den 2. Oktober haben wir etwas Besonderes geplant, da werden wir von 9.30 Uhr bis 14 Uhr Ärztevorträge vom 15. Bergischen Schlafforum Wuppertal mit Ton und Bild übertragen live im Internet übertragen.

Bertram: Das sind dieselben Altersgruppen, die auch Youtube nutzen, im Durchschnitt die 20- bis 40-Jährigen. Wir haben auch schon über einen Live-Stream zwei Sendungen übertragen und hatten dabei 20 000 Abrufe. 300 000 bis 350 000 Abrufe hatten wir bereits auf unserer Seite www.schlafapnoe-online.de, auf Schnarcher TV bisher 100 000.

Bertram: Zurzeit sind es rund 50 eigene und 50 fremde von Youtube. Wir stellen laufend Filme rein. Am Samstag, 21. September, sind wir zum Beispiel von 9 bis 14 Uhr in der Elberfelder Innenstadt mit einem fünfköpfigen Team unterwegs und befragen die Leute zum Thema Schnarchen.

Bertram: Es gibt sechs Millionen Betroffene in Deutschland, die an Schlafapnoe leiden. Schnarchen betrifft sogar 50 Prozent der Bevölkerung. Runtergerechnet auf Wuppertal heißt das: Mehr als 150 000 Wuppertaler sägen jede Nacht die Wälder ab. Und es gibt Schnarcher, die kommen auf 90 Dezibel - das ist so laut wie ein Presslufthammer auf der Straße.

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