Soziale Not Corona in Wuppertal: „Wir müssen auch die sozialen Folgen im Blick haben“

Wuppertal · Die Pandemie und ihre Folgen verschärfen die Lage der Menschen auf der Straße und in anderen schwierigen Lebenslagen.

 Die Zahl der Obdachlosen in der Stadt nimmt zu - so jedenfalls der Eindruck vieler Passanten.

Die Zahl der Obdachlosen in der Stadt nimmt zu - so jedenfalls der Eindruck vieler Passanten.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie bekommen auch die Menschen zu spüren, die es ohnehin bereits schwer haben. Das gilt für Menschen, die aus verschiedenen Gründen viel Zeit auf der Straße verbringen, und alle, die in schwierigen Lebenssituationen leben: Viele Anlauf- und Hilfsangebote sind geschlossen.

Das könnte ein Grund für den Eindruck sein, dass aktuell noch mehr Menschen der Szene am Döppersberg zu sehen sind. Mirjam Michalski, Geschäftsführerin der Diakonie Soziale Teilhabe GmbH, erklärt: „Den Menschen ist die Tagesstruktur zusammengebrochen.“ Das Café Cosa ist ja schon länger geschlossen, wegen der Corona-Pandemie waren auch Anlaufstellen wie das Café „Gleis 1“ am Döppersberg, das Café „Rat & Tat“ der Gesa an der Wasserstraße, das Café Berlin in Oberbarmen oder das Café Ludwig der Diakonie an der Ludwigstraße teils geschlossen, teils eingeschränkt geöffnet. Hier erhalten Hilfsbedürftige nicht nur für kleines Geld Speisen und Getränke, sondern können auch ihre Wäsche waschen und Beratung bekommen.

Weil die Kantine der Tafel geschlossen hat und damit vielen Menschen die Versorgung mit Essen fehlte, gab es mehrere Initiativen für Ersatz. So hat das Kommunikationszentrum Färberei in Oberbarmen Essen gekocht und ausgegeben, die Tafel gibt Lebensmitteltüten und abgepacktes Essen aus. Das verteilt auch die Diakonie an der Diakoniekirche.

„Da gibt es eine große Nachfrage“, sagt Mirjam Michalski. Anfangs seien rund 35 Menschen pro Tag gekommen, jetzt seien es bis zu 110. Bei der Ausgabe helfen Mitarbeiter des Stadtteilservice, die wegen der Pandemie weniger im Stadtteil unterwegs sind. Heidi Kleiner, Leiterin des Stadtteilservice, berichtet über die Essensausgabe: „Am Monatsanfang kommen weniger, dann mehr, je weiter der Monat fortschreitet.“ Darunter seien Ältere, die mit ihrer Rente nicht auskommen, und Menschen mit anderen vielfältigen Problemen. „Die Menschen sind sehr dankbar, dass es die Essensausgabe gibt.“

Beratungsstellen sind in
ihrer Arbeit eingeschränkt

Dabei spiele nicht nur die Versorgung mit Lebensmitteln eine Rolle: „Wenn sie nicht rauskommen, fehlen ihnen soziale Kontakte. Das geht auf die Psyche“, erklärt Heidi Kleiner. „Das erzählen die auch.“

Mirjam Michalski erklärt, dass die Pandemie auch andere Menschen treffe, deren Not man nicht direkt in der Öffentlichkeit sehe. So seien zum Beispiel Beratungsstellen in ihrer Arbeit eingeschränkt, viele Maßnahmen seien wegen der Pandemie gestoppt worden, unter anderem Qualifzierungsangebote. Auch Ein-Euro-Jobs seien zunächst eingestellt worden. Damit fehlte den Teilnehmern der soziale Kontakt, die Tagesstruktur und auch das wenige Geld, das sie dadurch zusätzlich erhielten.

Sie fürchtet, dass das bei einigen zu größerer psychischer Labilität führt, manche zum Beispiel wieder häufiger Alkohol trinken. Die Diakonie bemerkt zudem während der Pandemie eine verstärkte Anfrage nach Beratungen wegen Arbeitslosigkeit, Verschuldung und drohendem Verlust der Wohnung. „Die prekären Notsituationen haben zugenommen. Diese Folgekosten der Pandemie müssen wir einrechnen“, mahnt sie.

Beim Thema Wohnungs- und Obdachlosigkeit hatten Stadt und Diakonie schon vor Beginn der Pandemie ihre Arbeit verstärkt. So soll das Projekt „WOW“ (Wohnraumvermittlung und Begleitung für Obdachlose und wohnungslose Menschen in Wuppertal) Wohnungslosigkeit verhindern helfen, indem Betroffene bei der Wohnungssuche unterstützt werden. „Da gibt es schon Erfolge“, sagt Mirjam Michalski. Wohnungsgesellschaften seien eher zur Vermietung bereit, wenn sie sehen, dass die neuen Mieter mit Problemen begleitet werden. Die Förderung durch das Land sei verlängert worden.

Sozialdezernent Stefan Kühn verweist darauf, dass die Stadt 100 000 Euro für die Prävention von Wohnungslosigkeit bereitgestellt habe. Während der Pandemie seien sie sich einig gewesen, Hilfen für die Obdachlosen bereit zu stellen - „da brauchte ich nicht viel zu diskutieren“. Unter anderem wurden zusätzlich Notschlafstellen geschaffen, damit die Nutzer mehr Abstand halten können.

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