Gastbeitrag „Man kümmert sich wenig um uns, solange wir still sind“

Moses Hess wohnte im Gasthof „Zur Stadt London“, wenn er seinen Freund Friedrich Engels in Wuppertal besuchte.

  Im Eckhaus Friedrich-Engels-Allee/Heinz-Kluncker-Straße befand sich das Gasthaus „Zur Stadt London“.

Im Eckhaus Friedrich-Engels-Allee/Heinz-Kluncker-Straße befand sich das Gasthaus „Zur Stadt London“.

Foto: Gerd Neumann, Medienzentrum Wuppertal

Im Eckhaus Oberbergische Straße/Allee befand sich 1845 ein kleines Hotel mit dem weltstädtischen Namen „Zur Stadt London“. In diesem Gasthof weilte Moses Hess (1812-1875) aus Köln, wenn er seinen Freund Friedrich Engels in Wuppertal besuchte und mit ihm politische Projekte plante. Im Frühjahr 1845 war der Kontakt intensiv. Hess, Engels und einige andere „junge Kommunisten“ planten große Projekte. Im Februar 1845 hielten sie in Elberfeld die sogenannten „Kommunistischen Versammlungen“ ab und planten die Herausgabe des „Gesellschaftsspiegels“, einer gesellschaftskritischen sozialistischen Zeitung. Natürlich standen sie im Visier der Polizei. Der Bürgermeister von Elberfeld berichtet an die Regierungsbehörde in Düsseldorf. Friedrich Engels schrieb jedoch unbesorgt an Marx: „Im Übrigen ist es hier sehr sicher, man kümmert sich wenig um uns, solange wir still sind, und ich glaube, H[eß] mit seinen Befürchtungen sieht etwas Gespenster.“

Die Fabrikstädte Elberfeld und Barmen mit ihrer großen Konzentration von Industriearbeiterschaft waren für die Kommunisten neben Köln zum wichtigsten Ort ihrer politischen Aktivitäten geworden. Hess plante sogar, seinen Wohnsitz ganz nach Elberfeld zu verlegen. Anfang März 1945, nach dem Verbot ihrer öffentlichen Vorträge im Elberfelder „Zweibrücker Hof“, - den ersten „kommunistischen Versammlungen“ in Deutschland - wurde der Gasthof zur Zentrale für das geplante Zeitungsprojekt. Engels berichtete: „Unser ,Gesellschaftsspiegel’ wird prächtig, der erste Bogen ist schon zensiert und alles durch. Beiträge in Masse. Heß wohnt in Barmen in der ,Stadt London’. Bergenroth wird wahrscheinlich doch so bald nicht dorthin kommen, dagegen ein andrer, den ich nicht nenne, weil dieser Brief doch wohl erbrochen wird.“

Bei seinen Eltern konnte Engels keine Briefe empfangen

Die Adresse an der Oberbergischen Straße nutzte Marx dann auch, um Engels Briefe zukommen zu lassen. Friedrich Engels wohnte bei seinen Eltern. Hier konnte er die Briefe seiner Freunde nicht empfangen. An Marx schrieb er: „Ich lebe Dir jetzt ein Hundeleben. Durch die Versammlungsgeschichten und die ,Liederlichkeit’ mehrerer unserer hiesigen Kommunisten, mit denen ich natürlich umgehe, ist der ganze religiöse Fanatismus meines Alten wieder geweckt. (…) Natürlich heute lange Gesichter über mein spätes Ausbleiben, Andeutungen. (…) Endlich faßt man Courage zu fragen, wo ich gewesen sei. - Bei Heß. – ,Bei Heß! Großer Gott!’ (…) ,Was für eine Umgebung hast Du Dir gewählt!’ - Von (…) dieser christlichen Hetzjagd nach meiner ,Seele’ hast Du keine Ahnung.“

Auch die Inhaberin des Gasthofes bekam Schwierigkeiten und wurde wegen unterlassener Anmeldung des Hess dem Polizeigericht angezeigt. Friedrichs Vater war vermutlich aus erster Quelle unterrichtet, denn als ehrenamtlicher Beigeordneter gehörte er zur Stadtspitze Barmens. Einen Monat später, am 14. April, stellte Friedrich Engels ein Auswanderungsgesuch nach England und verließ die Stadt.

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