Urteil im Kindermordprozess Warum der Solinger Prozess ein Blick in den Abgrund ist

Meinung · Das Urteil drückt die ganze Machtlosigkeit der Gesellschaft aus. Selbstverständlich, werden die meisten sagen, hat das Wuppertaler Landgericht Recht gesprochen.

 Im Solinger Kindsmordprozess ist ein Urteil gefallen.

Im Solinger Kindsmordprozess ist ein Urteil gefallen.

Foto: dpa/Oliver Berg

Das Urteil drückt die ganze Machtlosigkeit der Gesellschaft aus. Selbstverständlich, werden die meisten sagen, hat das Wuppertaler Landgericht Recht gesprochen, als es die 28 Jahre alte Solingerin für vermutlich ihr gesamtes Leben hinter Gitter schickte. Die Frau hat fünf ihrer sechs Kinder ermordet, kaltblütig, heimtückisch. Der Prozess war ein einziger Blick in einen Abgrund von Hass, Verzweiflung und tödlicher Wut. Die Prozesstage haben den Vorhang entfernt, der solche Schicksale gemeinhin kaschiert, bis sie zumeist durch eine Eruption von Gewalt in die Öffentlichkeit dringen. Und mit jeder Verhandlung stellte sich mehr die Frage, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Vordergründig sind es private Ursachen. Der Kampf eines Eifersüchtigen um den Partner ist obendrein nichts Ungewöhnliches. Aber an irgendeiner Stelle ist die Situation eskaliert, sind Gefühle außer Kontrolle geraten, kam es zum Allerschlimmsten. Für den Vater der Kinder und auch für die Polizisten muss der Tatort der blanke Horror gewesen sein.

Das Wuppertaler Landgericht hat seines Amtes gewaltet und im Namen des Volkes das Urteil gesprochen, das ein jeder erwartete. Lebenslang, besondere Schwere der Schuld. Mehr lässt ein Rechtssystem nicht zu, das Gott sei Dank und aus guten Gründen auf Todesurteile verzichtet. Dass die Verteidigung des Verurteilten Revision angekündigt hat und notfalls bis vor den Bundesgerichtshof ziehen will, ist vermutlich nicht viel mehr als Folklore. Es könnte allerdings auch belegen, dass die Anwälte ihren Beruf ernst nehmen. Am Richterspruch wird das aller Voraussicht nach nichts ändern. Hoffentlich.

Dennoch kann sich nach diesem Urteil kein Gefühl von Genugtuung breit machen. Vielmehr drängt die Frage danach, ob die unmenschliche Tat zu verhindern gewesen wäre. Wo haben Verwandte, Nachbarn, womöglich Behörden etwas übersehen, etwas nicht bemerkt? Und was kann eine Gesellschaft tun, damit sich Dramen dieser Art nicht wiederholen? Das Gericht hat Recht gesprochen, die Chance, den Opfern gerecht zu werden, hatte es nicht.

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