Landtagswahl im Mai Wahljahr 2022 in NRW: Wüst muss als Corona-Manager punkten

Düsseldorf · Je mehr sich die Corona-Krise zuspitzt, desto stärker dürften die politischen Antworten darauf beim Wähler ins Gewicht fallen. Der neue NRW-Regierungschef hat wenig Zeit, zu überzeugen.

 NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst muss schnell liefern.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst muss schnell liefern.

Foto: dpa/Malte Krudewig

Spannender könnten die Vorzeichen für ein neues landespolitisches Jahr kaum sein. Zur Landtagswahl am 15. Mai 2022 kündigen sich viele Besonderheiten mit unvorhersehbarer Wirkung an: Ein neuer Ministerpräsident, Hendrik Wüst (CDU), der nach nur sieben Monaten im Spitzenamt die Regierungsmacht verteidigen muss. Ein neuer Oppositionsführer, Thomas Kutschaty (SPD), der sich noch stärker als der frisch gekürte Regierungschef erst einer breiten Öffentlichkeit bekanntmachen muss. Und eine Wähler-Kulisse, die speziell nach den Machtverschiebungen infolge der Bundestagswahl Optionen jenseits der ausgetretenen Koalitionspfade denkbar macht.

„Wir sehen viel mehr Bewegung bei den Wählern, viel mehr Dynamik im Parteiensystem und im Wahlverhalten“, sagte Politikwissenschaftler Stefan Marschall der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf. Der Absturz der CDU bei der Bundestagswahl und anschließend in Umfragen in NRW könne sich in den Monaten bis zur Landtagswahl durchaus noch umkehren.

Häufig sei festzustellen, dass in den Ländern die Parteien profitierten, die nach einer Bundestagswahl in die Opposition gekommen sind, weil viele Bürger dann erste Unzufriedenheit zur möglichen „Abrechnung“ an der Wahlurne nutzten, erklärte der Düsseldorfer Politik-Professor. Dazu haben sie im kommenden Jahr nicht nur in NRW Gelegenheit, sondern auch bei Landtagswahlen im Saarland (27. März), in Schleswig-Holstein (8. Mai) und in Niedersachsen (9. Oktober).

Entscheidender Prüfstein für Wüst ist aus Sicht des Politologen dessen Corona-Krisen-Management. „Das ist eine Phase, in der die Landesregierung sehr stark gefordert sein wird und das wird entscheiden, wie er wahrgenommen wird und ob er ein hinreichendes Profil erhalten kann“, prognostiziert Marschall. Dass Wüst derzeit Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) ist, helfe ihm dabei. Da die Landesregierungen in der Corona-Politik viele eigene Befugnisse hätten, könne Wüst hier in einem Wettbewerb der Länder punkten.

In der Tat hatte „der Neue“ bereits die erste MPK unter seiner Leitung genutzt, um sich von dem teils als zu behäbig kritisierten Stil seines in den Bundestag gewechselten Amtsvorgängers Armin Laschet (CDU) abzusetzen. Der 46-Jährige rammte schon vor der Konferenz Pflöcke ein, attackierte die SPD und brachte seinen FDP-Koalitionspartner bei Einschränkungen für Ungeimpfte auf Kurs.

Keine einfache Lage, denn die in NRW unter Laschet weitgehend reibungslos mitregierenden Liberalen waren da bereits dabei, die Karten für eine Ampel-Koalition im Bund mitzumischen. Sowohl für die CDU als auch für die FDP in NRW - beide haben hier seit langem keine gemeinsame Mehrheit mehr in Umfragen - sei es aber wichtig, vor der Wahl nicht als Streitbündnis dazustehen, mahnte Marschall. „Eine Zwickmühle.“

Je mehr sich die Corona-Lage in den nächsten Monate entspanne, desto stärker könnten die Wahlkämpfer in den letzten Wochen vor dem Mai noch mit anderen Themen punkten, sagte Marschall. Dabei zeigen sich durchaus Überschneidungen jenseits der klassischen Lager: Klimaschutz und einen früheren Ausstieg aus der Kohleverstromung möglichst schon bis 2030 haben sich sowohl CDU und FDP als auch SPD und Grüne auf die Fahnen geschrieben. „Der Schutz unseres Klimas und die Bewahrung unserer Schöpfung sind die größten Aufgaben unserer Zeit“, hat Wüst bereits mehrfach bekräftigt.

An dieser Front werden vor allem die Grünen versuchen, sich als „das Original“ in Sachen Klimaschutz zu profilieren. In Umfragen ist die Öko-Partei der CDU jedenfalls schon ziemlich nah auf den Fersen.

Die SPD will mit Wüst unter anderem beim Thema bezahlbare Mieten konkurrieren. SPD-Spitzenkandidat Kutschaty zieht mit einem Versprechen in den Landtagswahlkampf: „Pro Jahr wollen wir 100 000 neue Wohnungen bauen, davon 25 000 mietpreisgebunden“, kündigte er der dpa an. Attackieren wird der Landespartei- und Fraktionschef auch auf anderen Feldern: „Fast 4000 Lehrerstellen sind unbesetzt“, kritisierte er. Der fast schon legendäre Stau in NRW - von der CDU vielfach angeprangert als sie hier noch Opposition war - sei in deren Regierungsjahren noch länger geworden.

Zwar sei mit Wüst nun ein neuer Ministerpräsident an den Start gegangen - die Bilanz der schwarz-gelben Koalition bleibe aber gleich schlecht, ätzte der Oppositionsführer. „Kurz: Was steigen sollte, sinkt und was sinken sollte, steigt.“

Die traditionellen Volksparteien müssten aber auch die AfD weiter auf der Rechnung haben, mahnte Marschall. Die 2017 erstmals in den Düsseldorfer Landtag eingezogene Partei ist seitdem in keiner NRW-Umfrage unter die Fünf-Prozent-Hürde gerutscht. „Die AfD ist mehr geworden als eine reine Protestpartei“, stellte der Wissenschaftler der Heinrich-Heine-Universität fest. „Es gibt mittlerweile eine Stammwählerschaft.“

(dpa)
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