Vom Kappes und vom Kohldampf - Umgangssprache an Rhein und Ruhr

Sprachwissenschaftler Peter Honnen stellt 1500 Wörter aus der Umgangssprache von Rhein und Ruhr vor — und erklärt diese höchst unterhaltsam.

Vom Kappes und vom Kohldampf - Umgangssprache an Rhein und Ruhr
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Köln. Gerne wird, wenn von Umgangssprache die Rede ist, die Nase gerümpft, gilt diese gegenüber dem Hochdeutschen doch als primitiv und ungebildet. „Da tut man dieser aber unrecht und das ist eine der Aufgaben meines Buches“, sagt der in Rheinhausen geborene Sprachwissenschaftler Peter Honnen. Er hat unter dem Titel „Wo kommt dat her?“ ein Herkunftswörterbuch der Umgangssprache an Rhein und Ruhr veröffentlicht, ein Lebenswerk, das er in den 30 Jahren gesammelt und dokumentiert hat.

Vom Kappes und vom Kohldampf - Umgangssprache an Rhein und Ruhr
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Es zeigt auch die Bedeutung der Umgangssprache als „Experimentierfeld“ für die Entwicklung von Sprache auf. Es sind so spannende wie auch überraschende Geschichten, die darin anhand der präsentierten Wörter erzählt werden. So steht „schummeln“ im Hochdeutschen für „falschspielen“ und „betrügen“, bedeutet aber in der rheinischen und niederdeutschen Mundart auch „etwas hin- und herbewegen“, wenn zum Beispiel in einer Schublade etwas gesucht wird. Es steht allerdings auch für „durchstöbern“ oder „zusammenraffen“, woraus die negative Bedeutung sich im Hochdeutschen festgesetzt hat.

Vom Kappes und vom Kohldampf - Umgangssprache an Rhein und Ruhr
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Eine schöne Geschichte bietet auch der „Kappes“. Er bezeichnet den Kohl genauso wie das aus ihm erzeugte Sauerkraut. Verwendet wird der Begriff, der sich vom lateinischen Wort „caput“ (Kopf) herleitet, in etwas veränderter Form auch im Schweizerdeutschen oder in Luxemburg. Man spricht aber auch von „Kappes erzählen“, wenn man etwas für Unsinn oder Unfug hält. Diese Begriffswandlung kommt aus der Gaunersprache, dem Rotwelschen, wo zwar nicht Kappes, aber dafür Kohl für Unsinn oder Scherz steht. Auch der „Kohldampf“ kommt übrigens aus dieser Sprache. Betrügen selbst wird in der Mundart zu „betuppen“, was deutlich angenehmer klingt als die hochdeutsche Begrifflichkeit. Es kann allerdings mit „schön fies betuppen“ auch deutlich gesteigert werden.

Viel schöner ist das „Jückeln“ oder „Jöckeln“, bei dem man nur zum Zeitvertreib in der Gegend umherfährt, oder, um es neudeutsch zu sagen, „im Auto chillt“. In der Wendung „op jück/jöck“ steht das Wort „auf“ für unterwegs sein.

Spannend ist auf jeden Fall, wo die Wörter der Umgangssprache herkommen. Hier hat der Autor viel Zeit und Arbeit investiert und manche Begriffe bis in die Kelten- und Römerzeit zurückverfolgt. Das gilt zum Beispiel für „Söller“ oder „Sölder“, womit am Niederrhein und im westlichen Rheinland der Dachboden gemeint ist. Es leitet sich aus dem lateinischen Wort „solarium“ her, was für flaches Dach oder Terrasse bzw. der Sonne ausgesetzter Teil des Hauses verwendet wird. Aber schon unter dem Reformator Luther wird Söller durch den Begriff Speicher verdrängt.

Keltische Wurzeln haben Wörter wie „Back“ (Schüssel) oder „Ambach“, das in Redewendungen „Wat is Ambach?“ für „was ist los bzw. angesagt?“ steht. Dass ein Wort viele Bezüge zu anderen Sprachen und Zeiten haben kann, beweisen „Köppken“, „Köppschen“ oder „Käppchen“. Im römisch-gallischen Raum stand „cuppa“ für Becher, aber als lateinisch „Cupa“ auch für „Tonne“ oder „Fass“.

Bekannt ist im Englischen „Cup“ und im Niederländischen „Kopje“ für Tasse. Andere Begriffe aus dem Nachbarland sind umgangssprachliche Wörter wie „verbaseln“ oder „stickum/steckum“ für heimlich, leise und ruhig. In Düsseldorf gibt es „Stickum“ sogar als Schnaps zum Trinken. Das Wort ist aus dem Rowelschen entlehnt, wo „Schtike“ das Stillschweigen meint. Der Ursprung liegt im Jiddischen, wo „schietke/schitko“ still bzw. schweigen bedeutet.

Die Herkunft der von Peter Honnen gesammelten Begriffe reicht von einem Gebiet zwischen Koblenz und Dortmund. Es sind fast immer Begriffe, die auch noch im aktuellen Wortschatz an Rhein und Ruhr zu finden sind. Es sind unterhaltsam zu lesende, aber wissenschaftlich fundierte Geschichten. So manches regt wie der „Vollhonk“ als Steigerung von Honk für Trottel und Blödmann zum Schmunzeln an. Viele der Begriffe haben eine uralte Geschichte in einem Wort erhalten und können nun dank des neuen Werks spannend erzählt werden. Und Wörter wie „usselig“ haben es schließlich schon in den Wetterbericht geschafft.

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