Prozess in Istanbul Türkei klagt Remscheider Sozialarbeiter an

Köln/Remscheid/Istanbul · Prozess in Istanbul: Die Anklage wirft Adil Demirci (32) Terrorpropaganda vor. Der 32-Jährige war im April in Istanbul während des Urlaubs inhaftiert worden.

Unterstützung für Demirci: Der deutsch-türkische Sozialarbeiter war Mitte April 2018 in Istanbul  festgenommen worden.

Unterstützung für Demirci: Der deutsch-türkische Sozialarbeiter war Mitte April 2018 in Istanbul  festgenommen worden.

Foto: dpa/Geisler-Fotopres

Der Kölner Adil Demirci hat während des ersten Prozesstages in der Türkei alle Terrorvorwürfe gegen ihn zurückgewiesen. „Ich habe keine Verbindung zu illegalen Organisationen“, sagt er am Dienstag am 25. Strafgericht im Istanbuler Stadtviertel Caglayan. Er arbeite in Deutschland als Sozialarbeiter in Remscheid und mache Übersetzungen aus dem Türkischen ins Englische und Deutsche. In dem Verfahren sind außer Demirci 22 weitere angeklagt. Am Abend verfügten die Richter nach einem langen Prozesstag, dass nur sechs der in U-Haft sitzenden Angeklagten freikommen werden. Demirci war nicht dabei, wie einer seiner Anwälte sagte. Einen Grund hätten die Richter nicht genannt. Der nächste Verhandlungstermin sei auf den 14. Februar 2019 festgesetzt worden.

Der 32-Jährige, der laut Gerichtsakten sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsangehörigkeit hat, war im April in Istanbul während des Urlaubs inhaftiert worden. Die Staatsanwaltschaft wirft Demirci, der auch für die linke Nachrichtenagentur Etha geschrieben hat, unter anderem Mitgliedschaft in der linksextremen Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei vor. Die MLKP gilt in der Türkei als Terrororganisation.

Zu dem Anklagepunkt, dass er „im Namen der MLKP“ in den Jahren 2013 bis 2016 an „unerlaubten Demonstrationen mit Molotow-Cocktails“ teilgenommen haben soll, sagte Demirci, er sei bei drei Trauerfeiern und einer Gedenkveranstaltung gewesen. Es sei dabei um Menschen gegangen, die (in Syrien) gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gekämpft hätten. Tausende hätten an diesen Feiern teilgenommen. Waffen habe er nicht gesehen. Sein Anwalt sagte, in eine der Veranstaltungen sei Demirci zufällig hineingeraten. Die anderen habe er im Zuge seiner journalistischen Arbeit für die Etha besucht. Vor Gericht sagte der Anwalt, sein Mandant habe keine Straftat begangen und forderte Demircis Entlassung aus der Untersuchungshaft.

Der Prozess gegen Demirci ist der dritte gegen deutsche Staatsbürger wegen „Terrorvorwürfen“ innerhalb kurzer Zeit. Die beiden jüngsten Prozesse gegen Patrick K. aus Gießen und eine Sängerin mit dem Künstlernamen Hozan Cane aus Köln, mündeten Ende Oktober und Mitte November in Gefängnisstrafen von mehr als sechs Jahren.

Im vergangenen Jahr hatte eine Serie von Festnahmen deutscher Staatsbürger zu einer schweren Krise zwischen Berlin und Ankara geführt. Damals wurden aber nur wenige Deutsche auch verurteilt. Stattdessen kamen seit Ende 2017 mehrere prominente Untersuchungshäftlinge – darunter der „Welt“-Reporter Deniz Yücel, der Menschenrechtler Peter Steudtner und die Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu – frei und durften ausreisen.

Das werteten Beobachter vor den jüngsten Verurteilungen zunächst als ein Zeichen des Entgegenkommens der türkischen Regierung. Deutsche Politiker betonen aber, dass es keine „Normalisierung“ geben könne, solange noch Deutsche „aus politischen Gründen“ in Haft seien. Das Auswärtige Amt zählt derzeit noch fünf Betroffene.

Im Gerichtssaal waren viele Beobachter aus Deutschland anwesend. Unter ihnen waren Generalkonsul Michael Reiffenstuel, der Aktivist und Autor Günter Wallraff, die Linken-Abgeordnete Heike Hänsel und der SPD-Bundestagsabgeordnete Rolf Mützenich.

Heike Hänsel sagte, der Ausgang des Verfahrens sei für sie offen. Die Anklage gegen Adil Demirci sei „ähnlich konstruiert wie die gegen Mesale Tolu“, die im Spätsommer nach Deutschland ausreisen durfte – die Entlassung aus der U-Haft sei also möglich. Andererseits habe es jüngst auch „harte Strafen“ gegen Deutsche gegeben. Mützenich sagte, es handele sich um ein „politisch motiviertes Verfahren“ und kritisierte die „lange U-Haft“.

Remscheids Oberbürgermeister hat um Informationen gebeten

Remscheids Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz (SPD) hat nach der Festnahme über Konsulat und Botschaft um Informationen gebeten, zudem den Bundestagsabgeordneten Jürgen Hardt (CDU) eingeschaltet. Er hofft auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren. Die Zeit zwischen Verhaftung und Prozess findet er unangemessen. In der Remscheider Jugendhilfe, in der Demirci arbeitet, gab es eine Welle der Solidarität: „Wir alle hoffen, dass sich im Zuge der Entspannung der Beziehungen beider Länder eine baldige Entlassung und Ausreise erfolgen kann.“  Red/dpa

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