Kultur : „Tristan und Isolde“ als musikszenisches Experiment in Düsseldorf
DÜSSELDORF Kurz vor Spielzeitende machen es die geringen Inzidenzwerte möglich, dass sich auch die Deutsche Oper am Rhein dem Publikum in Düsseldorf wieder öffnet. Nach dem leichtfüßigen „Barbier von Sevilla“ folgte mit „Tristan und Isolde“ nun schwere Wagner-Kost, die eigentlich eine große Orchesterbesetzung erfordert und breite symphonische Fluten entfacht.
Da wegen Abstandsregeln derzeit noch keine 90 oder 100 Musiker im Orchestergraben sitzen dürfen, hat Eberhard Kloke die Wagner-Partitur für die Rheinoper bearbeitet, die musikalischen Motive verdichtet und stellte bei der Premiere nun eine Fassung für eine kleinere Besetzung der Düsseldorfer Symphoniker und Chor vor, die streckenweise durch kammermusikalische Dichte und innere Spannung überzeugt. Zumindest unter dem Taktstock von Opern-GMD Axel Kober, der die geheimnisvollen Motive des Werks mit langem Atem herausarbeitet. So dominiert ein schlanker, sehniger und filigraner Wagner. Für das Orchester nicht einfach: Jedes Instrument klingt wie ein Solitär, man vernimmt kleine Fehler, die sonst im großen Orchesterfluss untergehen.
„Tristan“ als Kammeroper? Damit rüttelt man an Hör-, aber auch an Seh-Gewohnheiten: Da erscheint anfangs auf der Bühne ein Streichquartett und ein Englischhorn, das das elegisch schmelzende Tristan-Motiv zelebriert. Und man wagt noch mehr: Die drei Akte, die am Ende in Isoldes berühmten Liebestod-Gesang münden, werden an drei Abenden hintereinander gespielt, coronabedingt vor jeweils maximal 330 Zuschauern. Damit mögen die Stimmbänder der Solisten geschont werden, doch für stramme Wagnerianer bedeutet das eine Herausforderung, zumal man sich drei Abende freihalten muss. Und nach jedem Akt aus dem Klangkosmos herausgerissen wird.
Von schauderndem Staunen, schauerlicher Unendlichkeit oder gefährlicher Faszination, die bereits Wagners Zeitgenossen bewunderten, bleibt in der Inszenierung von Dorian Dreher wenig übrig. Über das Vertauschen der Tränke durch Brangäne wurde bis heute selten diskutiert, obwohl es das wichtigste Motiv ist. Brangäne tauscht auf dem Deck des Schiffes die tödlichen Tropfen, mit denen Isolde sich und Tristan ins Jenseits befördern will, gegen den Zaubertrank der Liebe.