Kultur „Tristan und Isolde“ als musikszenisches Experiment in Düsseldorf

DÜSSELDORF · Kurz vor Spielzeitende machen es die geringen Inzidenzwerte möglich, dass sich auch die Deutsche Oper am Rhein dem Publikum in Düsseldorf wieder öffnet. Nach dem leichtfüßigen „Barbier von Sevilla“ folgte mit „Tristan und Isolde“ nun schwere Wagner-Kost, die eigentlich eine große Orchesterbesetzung erfordert und breite symphonische Fluten entfacht.

 Spätestens seit ihrem Debüt als Kundry bei den Bayreuther Festspielen 1998 gehört Linda Watson zu den wichtigsten Wagner- und Strauss-Sängerinnen unserer Zeit. Sie sang Isolde mit einem klangvollen Sopran.

Spätestens seit ihrem Debüt als Kundry bei den Bayreuther Festspielen 1998 gehört Linda Watson zu den wichtigsten Wagner- und Strauss-Sängerinnen unserer Zeit. Sie sang Isolde mit einem klangvollen Sopran.

Foto: Oper am Rhein/SANDRA THEN

Da wegen Abstandsregeln derzeit noch keine 90 oder 100 Musiker im Orchestergraben sitzen dürfen, hat Eberhard Kloke die Wagner-Partitur für die Rheinoper bearbeitet, die musikalischen Motive verdichtet und stellte bei der Premiere nun eine Fassung für eine kleinere Besetzung der Düsseldorfer Symphoniker und Chor vor, die streckenweise durch kammermusikalische Dichte und innere Spannung überzeugt. Zumindest unter dem Taktstock von Opern-GMD Axel Kober, der die geheimnisvollen Motive des Werks mit langem Atem herausarbeitet. So dominiert ein schlanker, sehniger und filigraner Wagner. Für das Orchester nicht einfach: Jedes Instrument klingt wie ein Solitär, man vernimmt kleine Fehler, die sonst im großen Orchesterfluss untergehen.

„Tristan“ als Kammeroper? Damit rüttelt man an Hör-, aber auch an Seh-Gewohnheiten: Da erscheint anfangs auf der Bühne ein Streichquartett und ein Englischhorn, das das elegisch schmelzende Tristan-Motiv zelebriert. Und man wagt noch mehr: Die drei Akte, die am Ende in Isoldes berühmten Liebestod-Gesang münden, werden an drei Abenden hintereinander gespielt, coronabedingt vor jeweils maximal 330 Zuschauern. Damit mögen die Stimmbänder der Solisten geschont werden, doch für stramme Wagnerianer bedeutet das eine Herausforderung, zumal man sich drei Abende freihalten muss. Und nach jedem Akt aus dem Klangkosmos herausgerissen wird.

Von schauderndem Staunen, schauerlicher Unendlichkeit oder gefährlicher Faszination, die bereits Wagners Zeitgenossen bewunderten, bleibt in der Inszenierung von Dorian Dreher wenig übrig. Über das Vertauschen der Tränke durch Brangäne wurde bis heute selten diskutiert, obwohl es das wichtigste Motiv ist. Brangäne tauscht auf dem Deck des Schiffes die tödlichen Tropfen, mit denen Isolde sich und Tristan ins Jenseits befördern will, gegen den Zaubertrank der Liebe.

Werktreu, nah am Original-Text, auch für Wagner-Neulinge gut nachvollziehbar, erzählt Dorian Dreher die Geschichte von Isolde, die per Schiff von Irland nach Cornwall gebracht wird, um dort ihren künftigen Mann König Marke zu heiraten. Geleitet wird sie von Markes Neffen Tristan, der allerdings zuvor im Kampf gegen Irland Isoldes Verlobten getötet hat. Sie wollte sich an dem verwundeten Tristan rächen, verfiel aber Tristans ‚Blick‘ und heilte ihn. Nun wartet sie – in der konventionellen, wenig inspirierenden Inszenierung – in Diva-Pose und in wallender Robe mit ihrer Dienerin Brangäne auf dem Luxusdeck des Schiffs auf die Ankunft und darauf, dass sich Tristan ihr nähert.

Die Handlung erschließt sich auf mehreren Ebenen im reduzierten Dekor von Heike Scheele. Eine psychologisch vielschichtige Personenregie fehlt. Stattdessen: Rampensingen, große Gesten und weit ausholende, rudernde Arme – Posen von gestern, oder doch von vorvorgestern? Michael Weinius als Tristan hat Metall und Durchschlagskraft eines Heldentenors, setzt manchmal auf Lautstärke, obwohl er gar nicht über ein großes Orchester hinweg singen muss. Wenig kammermusikalisch und schlank führt auch Linda Watson ihren Sopran. Eher wuchtig herausdonnernd, nicht schön, aber ganz schön laut in den Höhen. Differenzierte Töne und lyrische Nuancen vermittelt sie, wenn sie in der Mittellage ihre Stimme zurücknimmt.

Fazit: Der Mut, gegen den großen Wagner-Strom zu schwimmen, ist bewundernswert. Bleibt die Frage, warum Axel Kober passend zur Kammermusik nicht junge, gerade aufblühende und eben nicht so große Stimmen engagiert hat, sondern auf Bayreuth erprobte Solisten setzt.

Noch einmal an drei Abenden zu hören: 2., 3. und 4. Juli. Falls möglich, sollen die drei Akte im Herbst an einem Abend gezeigt werden. Es dürfen nur jeweils 300 Besucher im Opernhaus Platz nehmen. Es gilt eine Maskenpflicht im gesamten Haus und an allen Plätzen. Tickets unter Telefon 0211/ 89 25 211

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