Die Kirche verliert ihren unbeugsamsten Rebell Theologe Hans Küng ist tot

TÜBINGEN · Rebellisch und unbeugsam war er, manchmal penetrant, und zugleich einer der wichtigsten Kämpfer für eine Verständigung zwischen den Religionen: Der katholische Theologe Hans Küng hat sein Leben lang für eine moderne und zugleich ursprüngliche Kirche gekämpft.

 Der Schweizer zählte zu den bekanntesten Kirchenkritikern. Hans Küng starb im Alter von 93 Jahren in seinem Haus in Tübingen.

Der Schweizer zählte zu den bekanntesten Kirchenkritikern. Hans Küng starb im Alter von 93 Jahren in seinem Haus in Tübingen.

Foto: dpa/Franziska Kraufmann

„Mehr Jesus – weniger Papst“ war eine seiner Hauptforderungen, mit der er für viele reformorientierte Katholiken zu einer Galionsfigur wurde und in Rom in Ungnade fiel. Er war einer der wichtigsten Gegenspieler von Papst Benedikt XVI. Am Dienstag starb Küng im Alter von 93 Jahren in Tübingen.

Eine Episode aus den 60er Jahren wird in Tübingen bis heute gern erzählt: Küng und Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., waren damals Kollegen an der katholischen Fakultät. Doch während Ratzinger still und unauffällig mit dem Fahrrad zur Uni kam, fuhr Küng mit seinem laut röhrenden Alfa Romeo vor. Während der feingeistige Ratzinger in Rom Karriere machte, wurde der polternde Küng zu seinem lautesten Kritiker.

Egal, mit wie vielen theologischen Fragen sich Küng beschäftigt hat: Letztlich war der Kampf gegen die zentralistische römische Kirche sein Lebensthema. Die Kirche sei von einer Gemeinschaft der Gläubigen zu einer „geistlichen Diktatur“ geworden, schrieb er 2011 in seinem Buch „Ist die Kirche noch zu retten?“. Der biblische Jesus Christus habe die Päpste beim Ausbau ihrer Macht gestört und sei durch ein „selbstfabriziertes Kirchenrecht“ verdrängt worden.

All die großen Probleme wie der Priestermangel, der Mitgliederschwund oder der Skandal um sexuellen Kindesmissbrauch durch katholische Geistliche – für Küng waren sie die Folge einer ausufernden päpstlichen Macht. Sein Gegenprogramm erinnerte in vielen Punkten an die Forderungen der protestantischen Reformatoren. Die katholische Kirche müsse sich wieder auf die Bibel konzentrieren. Dort stehe nichts davon, dass Priester im Zölibat leben müssten oder dass Frauen keine Priester werden dürften.

Der gebürtige Schweizer hatte zunächst eine typisch katholische Priester-Karriere eingeschlagen. Geboren wurde er am 19. März 1928 als Sohn eines Schuhhändlers in der Kleinstadt Sursee. Mit 20 ging er an die Päpstliche Universität in Rom, 1960 wurde er Professor in Tübingen, wo er für den Rest seines Lebens blieb. Ein Höhepunkt in seinem Leben war die Berufung zum Berater des Zweiten Vatikanischen Konzils 1962 bis 1965. Unermüdlich hat Küng später an die dort gefassten reformorientierten Beschlüsse erinnert und es bitterlich beklagt, dass Papst Johannes Paul II. und Benedikt XVI. die Kirche wieder auf einen konservativen Kurs lenkten.

In den 70er Jahren zweifelte Küng immer vehementer die Unfehlbarkeit des päpstlichen Lehramts an. Mehrmals mahnte die römische Kurie ihn zur Ordnung, verbot schließlich die Veröffentlichung einiger Bücher. „Es ging um die bedingungslose Unterwerfung unter das römische Diktat“, meinte Küng später. Aber unterwerfen wollte er sich auf keinen Fall. 1979 ließ Johannes Paul II. ihm deshalb die Lehrerlaubnis entziehen.

Doch anders als vom Vatikan gehofft, war Küng durch diesen Schritt alles andere als mundtot gemacht – vermutlich steigerte er seine Popularität noch.  Er empfinde keine Furcht, sondern glaube fest an ein Leben nach dem Tod, sagte er. Sein Grab auf dem Stadtfriedhof hatte Küng schon längst ausgesucht.

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