Sugar-Daddy muss Zeugnis ausstellen Schlüpfrige Details vor dem Arbeitsgericht

Hamm · Sex statt Putzen und Einkaufen: Auch bei einem sogenannten Sugar-Daddy-Verhältnis kann es einen Anspruch auf Urlaub und ein Arbeitszeugnis geben.

 Symbolbild

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Foto: picture alliance / dpa/Jens Kalaene

Vor Arbeitsgerichten wird oft um berufliche Existenzen gestritten. Keine spaßige Angelegenheit, auch nicht für die Richter. Seltener dürften diese einen Einblick ins „pralle Privatleben“ bekommen. Wie weit ein solcher  Einblick gehen kann, zeigt ein jetzt auch im Wortlaut veröffentlichtes Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm von Anfang Juni.

Es ging um einen Arbeitsvertrag, dem ein sogenanntes Sugar-Daddy-Verhältnis (Infokasten) zugrunde lag. Auch in einem solchen Fall, so urteilten die Richter, könne ein gültiger Arbeitsvertrag vorliegen. Deshalb, so urteilten sie, habe die Dame in dem Fall auch einen Anspruch auf Abgeltung nicht in Anspruch genommener Urlaubstage. Und ein Recht auf ein qualifiziertes Zeugnis.

Am kniffligsten, aber wohl auch am unterhaltsamsten war für die Richter die Aufgabe, rechtlich herauszuarbeiten, ob es überhaupt einen wirksamen Arbeitsvertrag zwischen den Streitenden gegeben hat. Mit viel Liebe zum Detail zitieren sie in ihrem Urteil denn auch aus schlüpfrigen Whats-App-Nachrichten, die die beiden vor Gericht Streitenden miteinander ausgetauscht hatten. Aber von Anfang an:

Das Alter des Herrn ist nicht überliefert, an Geld mangelte es ihm offenbar nicht. Eine Bekannte hatte ihm erzählt, sie kenne da eine Frau, 35 Jahre, Mutter dreier Kinder, die einen älteren Mann suche, der sie finanziell unterstütze. Als Gegenleistung habe sie Geschlechtsverkehr zu bieten. Der Kontakt kam zustande, bei einem Treffen in einem Café wurde man sich handelseinig, wobei die beiden dem Gericht unterschiedliche Versionen erzählten.

„Yes. Morgen wir sex
machen dan besser is.“

Seine Version: Mittwochs und am Wochenende sollte sie ihn zum einvernehmlichen Sex aufsuchen. Ihre Version: Nein, Sex sei nicht vereinbart gewesen. Schriftlich belegt ist, dass die Frau sich per Vertrag zu Putzen, Wäschewaschen, Einkaufen und Kochen verpflichtet hatte. Für monatlich brutto 460 Euro. Aber war das wirklich alles? Eben das mussten die Richter herausfinden.

Die im Urteil auszugsweise veröffentlichte Whats-App-Kommunikation der beiden legt dann doch die Richtigkeit der Version des Mannes nahe. Er: „Du warst auch gestern gut, ich fand es schön.“ Sie, offenbar eine Polin,  in eigenwilliger Diktion: „Fur 1mal nich slecht.“ Oder diese Nachricht: „Yes. Morgen wir sex machen dan besser is.“ Und dann: „I make give you sex of dream aber das is toya.“

A propos teuer: Dass der Monatslohn von 460 Euro längst nicht alles war, was der Mann für die Frau ausgab, zeigen die gerichtlichen Feststellungen, dass er insgesamt 20 000 Euro für sie aufgewendet hatte. Für die Finanzierung einer Reise nach Polen, den Bezug einer neuen Wohnung und die Nutzung eines Pkw. Zuzüglich der dabei fällig gewordenen Verwarn- und Bußgelder in Höhe von 1300 Euro. Die Dame nahm die (Straßen-) Verkehrsregeln offenbar nicht allzu ernst.

Es sei zwei bis dreimal monatlich zu sexuellen Handlungen gekommen, sagte der Mann vor Gericht. Angesichts seiner Ausgaben sei das vereinbarte Hauswirtschaftsverhältnis nur ein Scheingeschäft gewesen, daher könne sie aus diesem Vertrag auch keinen Urlaubs- und Zeugnisanspruch herleiten, so seine Argumentation.

Die Richter sahen das anders. Zwar habe die Beweisaufnahme ergeben, dass die Dame tatsächlich nicht als Hauswirtschafterin gearbeitet habe, sondern dass es um sexuelle Dienstleitungen gegangen sei. Schon die dem Mann vor dem ersten Kontakt zugesandten Fotos hätten „nicht den üblichen Bewerbungsfotos für ein Arbeitsverhältnis entsprochen“, formulieren die Richter zurückhaltend-genüsslich. Auch die Auswertung der Whats-App-Kommunikation habe ergeben, dass Sex ein ständiges Thema gewesen sei. Aber auch ein solcher Vertrag sei nicht etwa sittenwidrig. Daher träfen den „Arbeitgeber“ auch die entsprechenden Pflichten: Ausgleich der nicht genommenen Urlaubstage (es ging um  320 Euro)  und das Erstellen eines Zeugnisses. Was in dem Zeugnis zu stehen habe, dazu verkniffen sich die Richter jede Empfehlung.

Das Urteil im Wortlaut:

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