Verbraucher zahlen mehr, Tierhalter bekommen mehr Streit über “Fleischsteuer“ zugunsten des Tierwohls

Berlin/Düsseldorf · Politiker diskutieren höhere Besteuerung von Fleisch, dafür Investitionen in gute Tierhaltung. Doch es gibt viel Kritik.

 Soll Fleisch mehr kosten und dafür besser produziert werden? Diese Idee steckt hinter der Steueridee.

Soll Fleisch mehr kosten und dafür besser produziert werden? Diese Idee steckt hinter der Steueridee.

Foto: dpa/Christophe Gateau

Angesichts von Billigpreisen in vielen Supermärkten werden Rufe nach höheren Steuern auf Fleisch laut, um mehr in bessere Ställe zu investieren. Nach Tierschützern zeigten sich mehrere Agrarpolitiker offen dafür. Der Grünen-Experte Friedrich Ostendorff sagte der „Welt“: „Ich bin dafür, die Mehrwertsteuerreduktion für Fleisch aufzuheben und zweckgebunden für mehr Tierwohl einzusetzen.“ Von Bauern, Verbraucherschützern und Parteispitzen kam Kritik. Die Bundesregierung reagierte zurückhaltend.

Bisher wird Fleisch wie die meisten Lebensmittel nur mit sieben Prozent statt den üblichen 19 Prozent besteuert. Eine höhere Besteuerung hatte der Deutsche Tierschutzbund wieder ins Gespräch gebracht. „Parallel zur CO2-Steuer brauchen wir auch eine Fleischsteuer“, sagte Präsident Thomas Schröder kürzlich der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Der SPD-Agrarpolitiker Rainer Spiering sagte dazu der „Welt“: „Eine Fleischsteuer, der Einfachheit halber über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent, wäre ein möglicher Weg.“ Albert Stegemann, CDU-Agrarpolitiker, sagte, eine Steuer könne „ein konstruktiver Vorschlag“ sein. „Dafür müssten diese Mehreinnahmen aber zwingend als Tierwohlprämie genutzt werden, um die Tierhalter in Deutschland beim Umbau zu unterstützen.“ Allerdings: Laut Bundesfinanzministerium sind Steuereinnahmen grundsätzlich nicht zweckgebunden.

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) begrüßt die steigende Sensibilität dafür, dass mehr Tierwohl mehr Geld koste. Dieses müsse „nicht automatisch aus Steuererhöhungen kommen“, sie verwies etwa auf das geplante staatliche Tierwohlkennzeichen für Fleisch aus besserer Haltung, das auch höhere Preise mit sich bringen soll. Das Bundesumweltministerium erklärte, es gebe effektivere Mittel als das Mehrwertsteuerrecht, um das zentrale Problem hoher Tierbestände anzugehen – etwa strengere Düngeregeln und die EU-Agrarfinanzierung.

Grünen-Chef Habeck will ganzes Mehrwertsteuersystem prüfen

In Nordrhein-Westfalen gibt es große Offenheit, mehr für das Wohl der Nutztiere zu unternehmen, aber auch Skepsis, ob das durch eine höhere Fleischsteuer erreicht wird. „Klar ist, dass die Tierhaltung in Deutschland sich ändern muss“, sagt Norwich Rüße, Sprecher für Landwirtschaft und Tierschutz der Grünenfraktion im Landtag, auf Anfrage. Dazu müssten auch Viehbestände schrumpfen. Rüße hält die Mehrwertsteuererhöhung auf 19 Prozent für die einfachste Möglichkeit. Bianca Winkelmann, Agrarsprecherin der CDU-Fraktion, indes sieht „rechtliche Schwierigkeiten“ bei einer Weitergabe der Steuereinnahmen an die Landwirte.

Aber dort müsste das Geld wirklich ankommen, um Effekte zu erzielen, sagt Andrea Hornfischer vom Rheinischen Landwirtschaftsverband (RLV). Und: Der höhere Steuersatz müsste auch für importiertes Fleisch gelten. „Sonst haben wir einen Wettbewerbsnachteil – obwohl wir höhere Standards haben“, verdeutlicht die Sprecherin. Dann sei für das Tierwohl nichts erreicht.

CDU-Frau Winkelmann hält deshalb auch die „Anhebung der Tierwohlstandards auf ein einheitliches Niveau in ganz Europa“ für entscheidender als die Steuerfrage. Allerdings sieht sie bei der Mehrwertsteuer möglicherweise generellen Novellierungsbedarf: „Oder wie ist es zu erklären, dass Zucker und Zuckerwaren als Grundnahrungsmittel gelten und nur mit sieben Prozent versteuert werden, wo diese doch eher Genussmittel sind?“

(dpa)
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