Volle Kirche zu Weihnachten — „Das ist auch eine Chance“

Pfarrer Kai Hegemann und Pfarrer Burkhard Schmelz über Rituale, Wünsche und eine gute Predigt.

Herr Schmelz, Herr Hegemann, Ihre Weihnachtspredigt ist bestimmt nicht ohne Aufwand entstanden. Im Gottesdienst warten aber alle in erster Linie auf die Weihnachtsgeschichte. Wie geht man damit um?

Schmelz: Klar bereitet man sich auf eine Weihnachtspredigt ganz besonders vor, aber die Leute erwarten auch eine anständige Predigt und nicht nur die Weihnachtsgeschichte und das Krippenspiel. Hegemann: Ich bin seit 16 Jahren in Herzkamp. Bei meiner ersten Heiligabendpredigt hatte ich furchtbare Angst und dachte, wenn es jetzt nicht passt, kannst du dich direkt verabschieden. Heute gehe ich immer noch mit Herzklopfen in die Kirche und versuche, mich gut vorzubereiten. Aber ich merke, dass die Gemeinde auch Dinge mitnimmt, die ich gar nicht planen kann. Meine Erfahrung ist, wenn ich damit gut leben kann, kann ich auch befreit in den Gottesdienst gehen und das rüberbringen. Schmelz: Wichtig ist bei jeder Predigt, dass sie authentisch ist. Dass da vorne nicht irgend jemand steht, der etwas abliest, was er irgendwo gefunden hat.

Was ist das für ein Gefühl, wenn man das ganze Jahr über meist die gleichen Gesichter sieht und an Weihnachten die Kirche plötzlich voll ist? Ist das nicht komisch?

Hegemann: Nein, das ist eine Chance. Und es ist eine Wahrnehmung von außen, nur Weihnachten sei die Kirche voll. Es gibt auch andere Anlässe. Unsere Schulgottesdienste sind sehr gut besucht, Konfirmation, Kommunion. Das sind Chancen, Menschen, die nicht jeden Sonntag kommen, zu erreichen. Ich freue mich über jeden, der da ist. Schmelz: Weihnachten sind natürlich mehr Leute da, das ist klar. Aber an einem normalen Sonntag stehe ich ja nicht vor einer leeren Kirche. Die letzte Kirchenzählung ergab, dass wir mehr als 300 Leute in der Kirche hatten. Das war ein normaler Sonntag.

Ist Kirche zu einer Sache fürs Besondere geworden, während sie im Alltag eher untergeordnet ist?

Schmelz: Kirche ist einfach an den Lebenspunkten, an den Wendepunkten präsent. An der Stelle ist Kirche wichtig, der Segen Gottes. Dass alle jeden Sonntag kommen, ist nicht so. Jetzt kann man sagen, schlimm, dass sie nur dann kommen. Man kann aber auch sagen, schön, dass sie kommen. Hegemann: Wir merken ja auch, dass wir uns verändern müssen. Ich merke es bei der eigenen Familie, wieviel im wöchentlichen Ablauf ansteht. Ich verstehe, dass viele nicht jeden Sonntag da sind. Aber für uns ist es ein Anreiz, Angebote so zu gestalten, dass sie für möglichst viele attraktiv sind.

Kai Hegemann

Wie gestaltet man eine gute Weihnachtspredigt?

Hegemann: Wenn man das so einfach sagen könnte, könnten wir uns hier verabschieden und an den Predigtlehrstuhl gehen. Bei der Predigt geht es nicht nur um reine Schreibtischarbeit. Ich habe gelernt, mich möglichst früh mit dem Anlass zu beschäftigen. Aber ganz wichtig ist die Zeit dazwischen. Wenn man einkauft, Konfirmandenunterricht gibt oder sonst was. Dann gibt es irgendwann den Moment, in dem man sagt, das ist eine gute Idee. Und dann fängt es an zu klickern. Das ist jedes Jahr unterschiedlich. Wenn ich genau wüsste, wann es ist, würde ich das jetzt in meinen Kalender eintragen. Schmelz: Es ist wirklich so, dass die Predigt im Hinterkopf immer mitläuft. Bei Veranstaltungen, was auch immer. Irgendwann habe ich als Aufhänger mal den Stern genommen. Ein anderes Mal fiel mir auf, dass unsere Krippe dort steht, wo sonst immer ein großes Kreuz steht. Und auf einmal kam dadurch eine Thematik. Das sind Dinge, die so mitlaufen und bei denen man irgendwann feststellt: Ups, da ist was.

Wenn Sie Erwachsenen und Kindern die Weihnachtsbotschaft erklären, machen Sie Unterschiede?

Schmelz: In der Familienchristmette gibt es das Krippenspiel. Da spielen Kinder die Weihnachtsgeschichte und es gibt danach keine große Predigt mehr. Am 2. Weihnachtstag gibt es nach der Messe noch eine Kindersegnung, um den Kindern deutlich zu machen: Gott wurde Mensch, Gott wurde ein Kind und hat die Kinder in besonderer Weise lieb. Für Erwachsene ist es eben die klassische Predigt. Hegemann: Es ist ja auch keine intellektuelle Frage, ob die Leute verstehen, was ich sagen will. Sondern es geht eher darum, ob es glaubwürdig ist. Ich denke, es ist wichtig, dass der, der die Predigt hält, sagt, was er denkt und was ihn bewegt. Ob das ankommt und was es beim Gegenüber erzeugt, haben wir nicht in der Hand. Der eine hat ein schweres Jahr hinter sich, der andere sitzt im Kreis der Familie und freut sich auf die Bescherung — es ist wirklich sehr unterschiedlich. Ich merke das bei mir auch. Wir haben in diesem Jahr mit den Tod des Kollegen Hafers hier vor Ort sehr viel Umwälzendes erlebt. Dadurch geht man anders daran und fragt sich, was hält dich jetzt, was gibt dir Hoffnung und Trost?

Haben Sie beide noch Zeit, die Advents- und Weihnachtszeit zu genießen? Es ist ja bestimmt eine sehr stressige Zeit.

Schmelz: Die Weihnachtsfeiertage sind natürlich turbulent. Aber am zweiten Weihnachtstag kommt man langsam zur Ruhe. Heilig Abend eher nicht, die Gottesdienste sind um 16, 18, 22 Uhr. Da ist garantiert keine Ruhe. Hegemann: Es gibt so bestimmte Dinge in der Vorweihnachtszeit und zu Weihnachten, worauf ich mich freue, und die ich bewusst wahrnehme. Da bin ich froh, wenn ich einfach da bin. Es ist kein Handy an, und ich bin auch nicht zu erreichen. Schön sind zum Beispiel die Adventsfenster, und wir schmücken in Herzkamp immer gemeinsam den Baum.

Burkhard Schmelz

Gibt es bei Ihnen privat spezielle Rituale?

Schmelz: Weihnachten gibt es bei mir immer Sauerbraten, Rotkohl, Klöße. Erstens esse ich das gern, zweitens kann man das super vorbereiten. Wichtig ist mir auch der Baum. Ohne geht es nicht. Hegemann: Der Baum wird Heilig Abend ins Wohnzimmer geholt und von meiner Frau und den Kindern geschmückt. Da bin ich raus, ich bin nur für die Elektrik zuständig. Die Kinder sind wieder beim Krippenspiel, warten dann darauf, dass ich nach Hause komme. Dann gibt es Bescherung. Es sind klare Abläufe, dazu gehört auch der Weihnachtsmorgen. Wir haben einen Frühgottesdienst um 6 Uhr, und das ist eine schöne Atmosphäre. Ich genieße die halbe Stunde vorher, wenn ich allein in der Kirche bin.

Worauf könnten Sie an Weihnachten niemals verzichten?

Schmelz: Auf die Christmette, die Krippe. Egal, was vorher war. Das ist dann vergessen, das ist der Höhepunkt, das Zentrale. Hegemann: Auf die Gottesdienste. Da würde ich schwer mit klar kommen, wenn ich da nicht hin könnte. Ansonsten kann man gar nichts Einzelnes rauslösen.

Können Sie die Weihnachtsbotschaft in maximal eineinhalb Sätzen erklären?

Schmelz: Gott wurde Mensch, er wurde einer von uns und mit seiner Menschwerdung hat die Erlösung der Menschheit begonnen. Hegemann: Gottes Liebe wird leibhaftig.

Was wünschen Sie sich für 2013?

Hegemann: Bei mir ist es so, dass in diesem Jahr ein sehr bewegtes Jahr für die Gemeinde zu Ende geht, wir haben viele Abschiede nehmen müssen. Pfarrer Hafer ist gestorben, Superintendent Berger ist in den Ruhestand gegangen. Ich wünsche mir, dass wir 2013 ein bisschen zur Ruhe kommen. Schmelz: Seit Oktober bin ich für beide katholischen Gemeinden in der Stadt zuständig, das ist im Moment noch ein kleiner Spagat. Ich hoffe, dass das Miteinander im nächsten Jahr gut klappt.

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