Reizgas versprüht: Wie es zum Großeinsatz an der Schule kam

Die Gefährdung an der Gevelsberger Hauptschule West stellte sich nachträglich als gering heraus. Niemand mehr im Krankenhaus.

Gevelsberg. Die gute Nachricht vorweg: Alle 15 Kinder, die wie berichtet am Mittwoch Nachmittag mit Beschwerden in Krankenhäuser der Umgebung eingeliefert wurden, nachdem in der Mädchentoilette der Gevelsberger Hauptschule West in der Mittagpause vermutlich Reizgas versprüht worden war, konnten noch am Abend nach Hause zurück. Die meisten von Ihnen kamen am Donnerstag wieder in der Schule. Dort lief der Unterricht ganz normal.

Nur zwei Schulpsychologen standen vorsorglich als Ansprechpartner bereit. Auch Konsequenzen dieses offensichtlichen "Streiches" wurden besprochen: Wenn andernorts etwas passiert wäre, hätten dort möglicherweise Rettungskräfte gefehlt.

Außergewöhnlich - darüber waren sich Donnerstag sowohl Schulleitung als auch Polizei und Rettungsdienst einig - war vor allem das Ausmaß des Einsatzes, der sich zwischen 14.15 und etwa 18 Uhr vor der Schule und in der benachbarten Halle abgespielt hatte. Eine große Gefahr habe, wie sich herausstellte, glücklicherweise nicht bestanden.

Rund 100 Feuerwehrleute und Rettungsdienstler eilten in 32 Fahrzeugen vom Feuerwehr- bis zum Rettungswagen in kürzester Zeit zur Schule, nachdem die Kreisleitstelle die Einsatzrolle "Massenanfall von Verletzten" (ManV) der Stufe drei ausgelöst hatte.

Zuvor war um 14.15 Uhr der Anruf vom Schulsekretariat gekommen, Mädchen hätten nach Besuch der Mädchentoilette, die sich im Eingangsbereich befindet, über Atemwegsbeschwerden, Übelkeit und Augenreizungen geklagt. Die Schule werde vorsorglich geräumt.

"MamV III, so etwas habe ich bisher noch nicht erlebt, sagt Rüdiger Schäfer von der Feuerwehr Gevelsberg, die vor Ort die Einsatzleitung übernommen hatte.

Dort habe er sehr schnell den Eindruck gewonnen, dass zumindest keine lebensbedrohlich Gefahr bestand. "Sechs Kinder warteten schon an der Straße auf uns, denen war ganz offensichtlich übel und sie wurden sofort im Krankenwagen abtransportiert, alle anderen standen vor dem Schuleingang."

In der Toilette selbst sei schon kein Gas mehr zu riechen gewesen und auch die anschließenden Messungen ergaben keine Gifte mehr.

In die benachbarte Sporthalle, wo die Rettungsdienste in Windeseile eine Untersuchungsstation eingerichtet hatten, wurden diejenigen 57 mitgenommen, die sich auf Nachfrage "betroffen" fühlten. Jeder erhielt eine so genannten Patienten-Anhängekarte, auf der auf den ersten Blick Personalien und der Schweregrad der Symptome (grün für leicht verletzt, gelb für etwas schwerer verletzt) angezeigt wurde.

"Wir wurden nach unseren Beschwerden befragt, bei jedem wurden Blutdruck und Puls gemessen", beschreibt Lehrerin Regina Eschbach-Wanzke. Die Herzkamperin hatte sich ebenfalls in die Turnhalle begeben, weil sie an Hustenreiz und Brennen in den Augen litt.

"Bestimmt nicht alle der 57 hatten solche Symptome, bei so manchem war es vielleicht auch nur die Angst davor", mutmaßt Rüdiger Schäfer. Die neun Kinder etwa, die man noch nachträglich in Krankenhäuser gebracht habe, hätten nach einer gewissen Beobachtungszeit immer noch Angst- und Schwächesymptome gezeigt. Bei allen anderen habe man gewartet, bis sie wohl behalten von ihren Eltern abgeholt wurden.

Das riesige Ausmaß des Einsatzes erkläre ein stückweit wohl auch die Tatsache, dass es Wochen zuvor zweimal Unfälle mit Chlorgas im benachbarten Schwimm-Inn gegeben habe. "Da waren natürlich alle sensibilisiert." Auch Landrat und Bürgermeister eilten gleich zur Schule.

Dort bemühte sich Schulleiterin Henrike Hallmann auch Donnerstag um Normalität und bedankte sich bei den Einsatzkräften. "Alle haben absolut professionell gehandelt, wir wissen jetzt, dass wir in besten Händen sind, wenn etwas passiert", sagte sie.

Unterdessen läuft die Suche nach dem Sprayer. Dass es eine Schülerin oder ein Schüler ihrer Schule ist, daran hegt Henrike Hallmann keinen Zweifel, kann sich vorstellen, dass das Spray schlicht mal ausprobiert wurde.

"Alles weitere ist aber Ermittlungsarbeit der Polizei." Die will Freitag ihre Ermittlungen fortsetzen. Befragungen am Mittwoch hatten noch keinen Tatverdächtigen ergeben.

Sollte der Verursacher gefunden werden, könnte es für seine Eltern teuer werden. "Ich gehe davon aus, dass der Einsatz eine fünfstellige Summe gekostet haben könnte", schätzt Schäfer und nennt einen Vergleich: Jüngst seien drei Löschzüge ausgerückt, weil ein "gefährliches Feuer" gemeldet wurde. Tatsächlich habe ein Mann auf seinem Gartengrill Kabel verbrannt, um an den Kupferkern zu kommen. Schäfer: "Er musste 1400 Euro bezahlen."

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