Noch lebt die Landwirtschaft

In Sprockhövel haben sich bisher erst wenige Bauern von Hof und Tieren getrennt.

Noch lebt die Landwirtschaft
Foto: Stefan Fries

Sprockhövel. Bundesweit ist die Entwicklung alarmierend. Viele Landwirte sehen sich gezwungen, Ackerbau und Viehzucht aufzugeben, weil sie von den Erträgen nicht leben können. In Sprockhövel ist die Lage allerdings noch nicht ganz so dramatisch. Die Nachfrage bei der Kreisstelle Ruhr Lippe der Landwirtschaftskammer NRW ergab eher moderate Zahlen.

„2005 gab es in Sprockhövel 90 landwirtschaftliche Betriebe, jetzt sind es noch 76, wobei in den vergangenen sechs Jahren nur zwei Bauern aufgegeben haben“, sagt Sprecher Herbert Zimmermann. Er verweist darauf, dass in der Statistik auch die Landwirte erfasst sind, die ihren Hof nur im Nebenerwerb betreiben.

Bei der Stadtverwaltung ist ebenfalls nicht bekannt, dass besonders viele der örtlichen Bauern aufgegeben hätten. Gründe dafür gäbe es genug, wobei der ständig fallende Milchpreis die Hauptrolle spielt. „27 Cent pro Liter bekommen wir, 40 Cent brauchen wir, um kostendeckend zu arbeiten“ betonen Dirk Gelbrich und Volker Stens, die auf ihren Höfen Milchwirtschaft betreiben und praktisch mit jeder Lieferung an die Molkerei Campina herbe Verluste einfahren. (WZ berichtete).

Ähnlich äußert sich auch Dirk Kalthaus, der Vorsitzende der Kreisbauernschaft, der in Ennepetal-Rüggeberg Milchvieh hält und von seinem Abnehmer sogar lediglich 21 Cent pro Liter bekommt. Auf die Frage nach dem russischen Einfuhr-Verbot für Milchprodukte aus Europa reagiert Kalthaus eher skeptisch. „Wenn ich sehe, dass der Rubel gefallen ist, dann habe ich Bedenken, dass die Russen auch im Falle der Aufhebung des Embargos die gewünschten Preise bezahlen können.“

Auf Sprockhövel angesprochen, sagt der Vorsitzende des Kreisbauernschaft: „Die landwirtschaftlichen Betriebe dort befassen sich in erster Linie mit Pferde- und mit Milchwirtschaft sowie mit der Aufzucht von Schweinen. Was die Pferdehaltung betrifft, dürfte an diesen Kollegen die Krise vollständig vorbei gegangen sein, bestehe doch nach wie vor großes Interesse am Reitsport.

Pferde brauchen ihn ihren Ställen natürlich auch Stroh, und da könnte es für die Kollegen, die auch Ackerbau betreiben, höchstens Probleme wegen der fallenden Getreidepreise geben.“ Kalthaus ist daher nicht bekannt, dass die Sprockhöveler Milchbauern vor der Aufgabe ihrer Betriebe stehen.

Derartige Überlegungen sind Friedrich Wilhelm Hegenberg (55) allerdings absolut nicht fremd. Sein Milchbauernhof mit 45 bis 50 Kühen hat sich dem Tourismus geöffnet, bietet Ferienwohnung und Hofführungen an und richtet Kindergeburtstage aus, doch das ist für den Niedersprockhöveler Landwirt alles nur Beiwerk, um die Verluste aus den fallenden Milchpreisen halbwegs aufzufangen.

„Ich liefere an das Deutsche Milchkontor, und die zahlen rund 20 Cent pro Liter, da kann man schon mal überlegen, das Ganze aufzugeben“, schimpft Hegenberg und geht auch mit der Politik hart ins Gericht. „Die Regierungen sind doch froh, wenn die Verbraucherpreise niedrig und die Leute zufrieden sind, weil die Lebensmittel möglichst wenig kosten. Was mit den Bauern geschieht, ist den Politikern doch gleichgültig.“

Pacht, Treibstoff, Gas und Strom würden immer teurer, und die Milchpreise gingen immer weiter runter, analysiert Hegenberg. Die Umstellung auf Bio sieht er kritisch. „Da müssten wir erst mal kräftig investieren, und in der Zeit bekommen wir nur die konventionellen Preise für die Produkte.“ Sein Fazit: „Ich glaube nicht, dass Landwirtschaft mit Bauernhöfen in normaler Größe noch große Zukunft hat.“

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