Kinder segeln zurück ins Glück

Gaby Schäfer gibt jungen Menschen nach Schicksalsschlägen ein Stück Lebensfreude zurück. Auf dem Meer können sie den Alltag vergessen.

Der Auslöser ist ein sehr trauriger: Vor fast sechs Jahren kam Gaby Schäfers Ehemann bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Was folgte, war eine harte Zeit für die inzwischen 35-Jährige und ihre beiden Kinder, die heute 14 und 16 Jahre alt sind. "Ich hatte zwei Möglichkeiten", sagt die Sprockhövelerin rückblickend: "Liegen bleiben oder wieder aufstehen."

Gaby Schäfer ist wieder aufgestanden. In Selbsthilfegruppen hatte sie Menschen mit einem ähnlichen Schicksal kennengelernt - und den Willen entwickelt, ihnen zu helfen und gemeinsam wieder Hoffnung zu schöpfen. Schon bald unternahm die Sprockhövelerin den ersten Urlaub im Wohnmobil. Im Gepäck hatte sie nicht nur ihre beiden, sondern noch weitere Kinder. Gemeinsam versuchten sie, die schwere Zeit erträglicher zu machen, sich zu zerstreuen, Abstand zu gewinnen, neuen Mut zu fassen. "Uns hat das damals sehr, sehr gut getan", sagt Schäfer.

Die weitere Entwicklung kam spontan: Nach drei Jahren regelmäßiger Wohnmobilfreizeiten fragte sich die tatkräftige Frau: "Warum machen wir das eigentlich nicht mit dem Boot?" Denn schon "immer" sei Wasser ihr Element, sei sie auf dem Segelboot zu Hause gewesen.

Im Alter von 20 Jahren hatte sie mit ihrem Ehemann den Plan geschmiedet, gemeinsam die Welt zu umsegeln. Es war an der Zeit, den Plan - wenn auch in abgeänderter Form - umzusetzen. Der Verein "sunshine4kids" (Sonnenschein für Kinder) war geboren.

Für die Vereinsgeschäftsführerin begann eine Zeit voller Telefonate, Anfragen, Terminabsprachen. Die erste Segelfreizeit musste nicht nur sorgfältig geplant und bekannt gemacht, sondern auch finanziert werden. Sponsor erster Stunde ist das Charterunternehmen Master Yachting, das seit knapp zwei Jahren regelmäßig Segelboote kostenfrei zur Verfügung stellt. "Ohne Sponsoren können wir das nicht bezahlen", sagt Gaby Schäfer, die nach und nach ein großes Netzwerk aufgebaut hat. Denn als Einzelperson erreicht sie nicht alle, die zu ihrer Zielgruppe gehören: Kinder und Jugendliche, die einen oder beide Elternteile verloren haben, die in einer Situation leben, in der ein Urlaub unmöglich ist, Heim-, Pflege sowie sogenannte Schattenkinder, die todkranke Geschwister haben.

Im Ennepe-Ruhr-Kreis ist sie bereits mit sämtlichen Jugendämtern vernetzt, auch bundesweit hat Schäfer schon die Fühler ausgestreckt. "Ich habe mir von Anfang an vorgenommen, dass das Projekt groß wird", sagt sie - dass der Erfolg und das Wachstum so schnell eintreten würden, überrascht sie allerdings doch.

Viele Fernsehbeiträge und Presseartikel in ganz Deutschland wurden ihrem Verein bereits gewidmet. Akquise muss Gaby Schäfer trotzdem stetig betreiben, um finanzielle Hilfe zu finden. Gerade im Ennepe-Ruhr-Kreis hat sie noch kaum Kontakte zu Unternehmen knüpfen können, welche die eine oder andere Segelfreizeit für ein Kind fördern könnten. "Wir kämpfen uns von Freizeit zu Freizeit", sagt sie. Unterstützung erfährt sie von ihrem Arbeitgeber, einem großen Unternehmen in Wuppertal, das ihr Handlungsspielraum lässt.

Künftig möchte die 35-Jährige Freizeiten schon so weit im Voraus planen können, dass sie in der Lage ist, sich auf dem Boot voll auf die Kinder zu konzentrieren. Denn die stehen sechs Tage lang im Vordergrund - und blühen auf dem Meer sichtlich auf: "Es ist unglaublich, wie sie sich schon nach wenigen Tagen verändern. Und bei den meisten wirkt es nachhaltig", sagt Schäfer. Die Kinder würden nicht nur fröhlicher, sondern bauten auch Selbstbewusstsein und Teamgeist auf. Genau das ist das Ziel von Schäfer: "Wir möchten den Kindern und Jugendlichen ein wenig Sonne in ihre Herzen und ein Lächeln in ihre Gesichter zurück geben."

An Bord lernen die Kinder nicht nur ein komplett neues Themenfeld kennen - die meisten von ihnen sind das erste Mal überhaupt im Urlaub. Sie lernen auch, das Segelboot eigenständig zu steuern, es instand zu halten und im Team zu arbeiten. Von Kroatien über Italien, Frankreich und Holland hat "sunshine4kids" schon zahlreiche Ziele in Europa bereist: neuer Hoffnung und neuen Perspektiven entgegen, befreit von der Last alter Sorgen.

Statt sich aber auf dem Erfolg auszuruhen, plant Schäfer bereits die nächsten beiden Projekte - diesmal deutschlandweit. Zum Einen möchte sie eine Wohltätigkeits-Expedition zum Kilimandscharo auf die Beine stellen. "Drei Frauen, darunter eine Outdoortrainerin, eine echte Prinzessin und ich, besteigen den Kilimandscharo. Gesucht werden 58 Sponsoren für 58 Höhenmeterpunkte, die jeweils 100 Metern entsprechen." Je mehr Geld eingenommen werde, desto mehr Segelfreizeiten könnten künftig finanziert werden. Schäfers Anspruch ist es, die Qualität auf hohem Niveau zu halten und die Freizeiten nicht zu einer Massenveranstaltung verkommen zu lassen.

Das zweite Projekt nennt Schäfer "Hoffnungsflotte für Deutschland". Dieses sozialpädagogische Projekt sieht vor, dass jedes Jahr Kinder aus schwierigen Verhältnissen gemeinsam an der kroatischen Adria Urlaub machen. Das Besondere: Jedes Bundesland soll vertreten sein, zudem soll es dafür auch je einen Botschafter geben. Noch in diesem Jahr möchte Gaby Schäfer mit 130 Teilnehmern auf 16 Schiffen starten. Auch für dieses Projekt sucht der Verein noch Sponsoren - um möglichst vielen jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, ihre Sorgen für eine Weile über Bord zu werfen, neue Horizonte zu entdecken und neuen Lebensmut zu schöpfen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort