Inklusion: Vom gemeinsamen Lernen profitieren alle Kinder

Fachbereichsleiterin erläutert die Entwicklung eines inklusiven Schulsystems.

Sprockhövel. Inklusion — ein Stichwort, das in den vergangenen Monaten und Jahren immer häufiger zu hören ist und das auch in Sprockhövel — im öffentlichen Raum, insbesondere aber in Bildungseinrichtungen — eine immer stärkere Rolle spielt. Im Gespräch mit der WZ erklärt Evelyn Müller, Leiterin des Fachbereichs für Schule, Jugend und Soziales bei der Stadt Sprockhövel, was damit gemeint ist und wie sich auch die heimische Schullandschaft in den nächsten Jahren verändern könnte.

Aus Evelyn Müllers Sicht ist Sprockhövel bereits auf einem guten Weg zu einem inklusiven Schulsystem für behinderte und nicht-behinderte Kinder — auch, wenn es noch viel zu tun gäbe. „An der Grundschule Gennebreck werden zum Beispiel zwei Kinder mit Down-Syndrom unterrichtet und an der Grundschule Börgersbruch nehmen zwei Kinder am Unterricht teil, die hörbehindert sind“, nennt Müller zwei Beispiele.

Insgesamt besuchen 76 Kinder mit geistiger, körperlicher oder Lern-Behinderung Sprockhövels Schulen. Andere Kinder mit Behinderung besuchen spezielle Förderschulen. Die Gründe sind vielfältig: Manchmal sind es die Eltern, die für ihre Kinder den geschützten Raum einer Förderschule bevorzugen, oft sind jedoch auch räumliche oder personelle Voraussetzungen an Regelschulen (noch) nicht erfüllt.

„Wenn Eltern, deren Kind beispielsweise im Rollstuhl sitzt, uns als Stadt ansprechen, ob der Besuch an einer unserer Schulen möglich ist, prüfen wir natürlich. Und wenn dafür kleinere Umbauten, wie etwa eine Rampe nötig sind, ist das auch kein Hindernis. Schwieriger wird es, wenn größere Umbauten oder personelle Unterstützung für einen Schulbesuch notwendig werden und dadurch zu hohe Kosten entstehen“, sagt Müller.

Dringend wartet sie daher auf eine gesetzliche Regelung, die dafür sorgt, dass die Kommunen nicht allein auf Umbau- und Personalkosten sitzenbleiben. Lehrkräfte würden zwar vom Land bezahlt, aber sogenannte Integrationshelfer, die beispielsweise autistischen Kindern im Schulalltag helfen, müssen von der städtischen Jugendhilfe finanziert werden. Derzeit sei dies noch möglich, weil bislang nur wenige Kinder, die eine Regelschule besuchen, einen Integrationshelfer benötigen.

Sollte sich das in Zukunft ändern, würde diese Form der Finanzierung nicht mehr möglich sein. „Zwar sollen die Förderschulen nicht abgeschafft werden, sondern sie sollen parallel zu den Regelschulen bestehen. Aber wenn immer mehr Kinder mit besonderem Förderbedarf die Regelschulen besuchen, muss sich eine ganze Menge ändern.“Müller sieht noch viel Beratungs- und Gesprächsbedarf bei allen Beteiligten.

Wie das Ergebnis am Ende aussehen kann, lässt sich ein Stück weit an der Gemeinschaftshauptschule Niedersprockhövel beobachten. 50 der 218 Schülerinnen und Schüler haben einen besonderen Förderbedarf. Pro Jahrgang existiert daher eine Klasse, in der eine integrative Lerngruppe eingerichtet ist. In diesen Klassen sind die Unterrichtsstunden in den Hauptfächern Deutsch, Mathematik und Englisch durch Lehrkräfte der Hauptschule doppelt besetzt. Zudem ist jeder Gruppe ein Förderschullehrer mit einem Stundenkontingent von 13,5 Stunden pro Woche als Unterstützung zugeteilt.

Diese Lehrer werden von den Förderschulen abgeordnet, „doch in Zukunft wird das nicht ausreichen“, ist sich Müller sicher, „dafür gibt es derzeit einfach noch zu wenige. Nicht nur aus diesem Grund werde es ihrer Meinung nach Jahre dauern, bis der Prozess eines inklusiven Schulsystems abgeschlossen ist. Dass Inklusion der richtige Weg ist, davon ist Müller aber überzeugt: „Es gibt sicherlich viele Ängste auf beiden Seiten. Aber ich bin sicher, dass am Ende alle profitieren werden.“

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