Ingo Arnst sieht weiter — mit Händen und Ohren statt Augen

Der Vorsitzende des Sehbehinderten- und Blindenvereins Hattingen/Sprockhövel erzählt, was ohne Augenlicht alles möglich ist.

Sprockhövel/Hattingen. Mit fliegenden Fingern sitzt Ingo Arnst vor dem Computer, während im Hintergrund kaum verständliche Worte aus dem Lautsprecher surren. Der Bildschirm ist ausgeschaltet, doch Ingo Arnst tippt unbeirrt weiter. Erst surft er im Internet, dann schreibt er eine E-Mail. „Viele Menschen wissen nicht, dass auch Sehbehinderte und Blinde den PC nutzen können.

Oft wissen es die Betroffenen selbst nicht“, sagt Arnst. Mit einer speziellen Tastatur auf der die Buchstaben in Brailleschrift (Punktschrift) abgebildet sind und durch eine Extra-Software, die den Inhalt der Seiten vorliest, kann er sich fast wie ein sehender Nutzer im Netz bewegen.

„Als die ersten Computer auf den Markt kamen, habe ich mich sofort damit befasst“, erinnert sich Arnst. Seit seiner Geburt ist er blind, in der Schule lernte er nicht nur das Schreiben auf der Maschine im Zehn-Finger-System, sondern auch die Blindenschrift. „Das ist für mich heute im Alltag ein unschätzbarer Vorteil“.

Als Vorsitzender des Sehbehinderten- und Blindenvereins Hattingen-Sprockhövel führt er ein Großteil der Kommunikation per E-Mail. Erhält Arnst gedruckte Post, etwa vom Amt, kann er mithilfe eines Scanners und der Sprachsoftware den Brief vorlesen lassen. „Die Kosten dafür werden zum Teil übernommen.“

Aus der Arbeit im Verein weiß er, dass gerade Sehbehinderte sich an den letzten Rest ihrer Sehfähigkeit klammern und eher mit starken Lupen arbeiten als auf Blindenschrift umzuschwenken. „Das Interesse daran, die Punktschrift zu erlernen, wird immer weniger“, hat Arnst gemerkt. „Früher war der Tastsinn für blinde Menschen enorm wichtig, heute ist es eher das Gehör, das genutzt wird.“

Der Verein bietet nicht nur Blinden, sondern auch sehbehinderten Menschen Hilfe und Rat für den Alltag an. „Es gibt sehr viele Hilfsmittel, von denen die meisten gar nichts wissen“, sagt er und nennt sprechende Uhren als Beispiel.

Über die Initiative „Wir sehen weiter“ des Bundesministeriums für Soziales und Arbeit hat er sich zum Berater weiterbilden lassen. Wer Fragen zu bestimmten Krankenkassenleistungen hat, wissen will, wie er den Alltag meistern soll oder auch psychologische Hilfe braucht, kann Ingo Arnst anrufen.

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