Gewalt, Suizid, Amok-Lauf – Wie soll die Schule reagieren?

Vertreter der weiterführenden Schulen haben bei einem Info-Treffen gelernt, wie man sich in einem Ernstfall verhalten sollte.

Ennepe-Ruhr-Kreis. Gefasst berichtet die stellvertretende Schulleiterin über den schlimmsten Tag an ihrer Gesamtschule, der mittlerweile schon Jahre zurückliegt: "Es war ein Montagmorgen, ich sortierte gerade die Post. Alles wurde mit einem Schlag nebensächlich, als wir Lehrer von dem Suizid eines Schülers erfuhren."

An normalen Unterricht an der Schule im Kreis war nicht mehr zu denken, stattdessen musste organisiert werden, wer mit den trauernden Schülern spricht, sie informiert, wo es einen Notfallseelsorger gibt, wie man 70 schockierten Schülern am besten Trost bieten kann. "Die Schulleitung hat sofort ein fünfköpfiges Krisen-Team eingerichtet", sagt die stellvertretende Schulleiterin.

Sie berichtet deshalb so offen über die Erlebnisse, damit andere Schulleiter sich auf solche und ähnliche Krisensituationen vorbereiten können. Am Mittwoch gab es ein Treffen des Bildungsnetzes Ennepe-Ruhr-Kreis (EN) in Schwelm - mit Referenten der regionalen Schulberatungsstelle, der Polizei und eines Notfallseelsorgers, die über schulisches Krisenmanagement sprachen: Vorsorge, Fürsorge und Nachsorge, Krisenintervention und Verhalten in Krisenfällen. Weitere Veranstaltungen zum Thema sollen in den nächsten Monaten folgen.

Rund 100 Vertreter der weiterführenden Schulen und der Jugend- und Schulämter waren gekommen, um sich zu informieren, von wem sie in einer Krise Hilfe erwarten und wie sie vorgehen können. Georg Fehn, Leiter der Schulberatungsstelle, betonte: "Es ist besser, sich im Vorfeld auf Krisen vorzubereiten, als im Ernstfall überfordert zu sein - am besten mit dem Aufbau eines schulischen Beratungs-, Gewaltpräventions- und Kriseninterventionsteams."

Als Prävention verwies er auf die vielzitierte "Kultur des Hinsehens", also besonders auf Schüler zu achten, die kein stimmiges Bild ergeben, die schleichende oder deutliche Verhaltensänderungen aufweisen. "Vor Krisen ist keine Schulform geschützt", sagte er.

Die Folgen - ob es sich um Suizid, eine Gewalttat, einen Unfall oder eine Gewaltdrohung handele - sind laut Fehn gravierend: Hilflosigkeit der Schüler, Eltern und Lehrer, Handlungslähmungen, Erschütterungen des Selbst- und Weltverständnisses.

Notfallseelsorger Roland Krämer sagte: "Es gibt auf manche Fragen keine Antworten, das kann man ruhig sagen. Was man jedoch genau weiß, können die Schüler auch erfahren. Auch, um Gerüchten entgegenzuwirken."

Der Hintergrund: Wenn Menschen etwas nicht wissen, seien die Bilder, die sie sich vorstellen, oft quälender als die Fakten. "Als Schulleitung muss man vermitteln: Wir stehen das hier zusammen durch, keiner ist alleine", sagte er. Eine erste Form des Trostes sei das gemeinsame Schweigen. Und die Möglichkeit, Erinnerungsstücke an einem Ort des Gedenkens aufzustellen. Wichtig sei, die Schüler bei der Gestaltung miteinzubeziehen.

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