Ein Jahr Malaysia: Von Ziegen, Fröschen und Halbgöttern

Schüleraustausch: Ein Jahr Malaysia hat den 17-jährigen Pascal Abé sehr geprägt.

Haßlinghausen. Er könnte stundenlang, tagelang erzählen. Von seiner Gastfamilie und den Erlebnissen in den Schulen, die er besucht hat. Von den Menschen, die er kennen gelernt und mit denen er Freundschaft geschlossen hat. Von den ihm zunächst völlig fremden Riten auf dem fernöstlichen Kontinent, die ihn nachhaltig beeindruckt, teils aber auch zutiefst schockiert haben.

Pascal Abé ist nach einem Jahr Schüleraustausch in Asien mit der Organisation AFS (American Field Service) nach Haßlinghausen zurück gekehrt. Nach Malaysia hatte es den 17-Jährigen gezogen, aber auch in Indien und Thailand hat er Gegenden erkundet. "Das Dorf in Malaysia war nicht groß, so habe ich noch sehr viele Reisen unternommen."

Die Reiselust liege ihm im Blut, erzählt der 17-Jährige. "Ich wollte einfach weit weg. Es sollte etwas sein, dass ich noch nicht gesehen habe. Meine Eltern lieben das Reisen, ich liebe es auch - daran wird dieses Fernweh wohl liegen." Dass in Malaysia als unabhängige englische Kolonie die Schulsprache englisch ist, kam dem Schüler entgegen - denn der Auslandsaufenthalt sollte auch dazu dienen, seine Englisch-Sprachkenntnisse aufzubessern. "Außerdem gibt es in dem Land so viel zu sehen", schwärmt Pascal Abé. "Allein die vielen verschiedenen Kulturen: In Malaysia leben Malaien, Inder und Chinesen, und alle haben verschiedene Religionen, Riten und Sprachen."

Apropos: Die malaiische Sprache beherrscht Abé nach einem Jahr auch. Zwar gebe es Regionen, in denen er nichts verstehe, aber in wieder anderen Gebieten verstehe er alles. "Die Sprache ist recht einfach. Es gibt keine Grammatik, man kann einfach Wörter aneinanderreihen. Wenn man von Vergangenheit oder Gegenwart spricht, setzt man Signalwörter wie ’gestern’ oder ’heute’."

Das Einleben klappte schnell, wie er erzählt: "Das Land ist genial. Die Menschen dort sind wahnsinnig freundlich, sie geben einem Rabatte im Geschäft, zeigen einem Dinge, die man zuvor noch nicht gesehen hat, und manche halten sogar mit dem Auto an, um einem die Hand zu geben und zu fragen, woher man kommt und was man für eine Religion hat."

Natürlich stach Abé als blonder Europäer von 1,75 Meter Körperlänge auch optisch heraus. "Am Anfang haben meine Mitschüler immer meine Haare angefasst und sind hinter mir hergelaufen. Und ich war der Größte in der Klasse." In manchen Belangen habe er sich in der ersten Zeit wie ein Halbgott gefühlt.

Eine große Umstellung waren das Essen und die hygienischen Verhältnisse. Doch zurück zu Hause, vermisst Pascal schon alles, woran er sich vor einem Jahr erst gewöhnen musste: "Im Moment würze ich mir alle Speisen noch sehr scharf nach und packe mir alles Mögliche gleichzeitig aufs Brot. Wurst, Käse, Frischkäse - einfach, um Geschmack an die Sache zu bekommen." Zwar liebe er die Küche seiner Mutter und Großmutter, aber er habe eben ein Jahr lang dreimal täglich warme, mit asiatischen Gewürzen verfeinerte Speisen erhalten.

Er habe sich vor nahezu nichts verschlossen, was ihm im fremden Land angeboten wurde. So kam Pascal Abé in den Genuss von gerösteten oder glasierten Kakerlaken, von Hühnerfüßen und Frosch. "Das war im Restaurant. Ich wusste nicht, was ich esse, und als mir etwas besonders gut geschmeckt hat und ich nachgefragt habe, erfuhr ich, dass es Frosch war." Nur, als er in anderem Zusammenhang Hund vorgesetzt bekam, habe er verzichtet.

Und doch gibt es etwas, das der 17-Jährige nach eigenen Angaben nie wieder erleben möchte: ein rituelles Opfer-Schlachtfest im sogenannten Kali-Tempel, dem einzig nicht-vegetarischen Hindu-Tempel. "Einmal im Jahr schlachten sie dort Tiere, und ich hatte mir vorgenommen, alles an Programm mitzumachen. Aber als der zweiten Ziege der Kopf abgeschlagen wurde, bin ich ohnmächtig geworden.

Während Pascal Abé Erlebnisse wie dieses lieber nicht so intensiv nacherlebt, hat er anderes sehr verinnerlicht: "Ich begrüße immer noch alle hier in Deutschland mit beiden Händen", sagt er. "Davon komme ich gar nicht weg." Die Zeit in Malaysia hat also mehr als oberflächliche Spuren hinterlassen. Ich habe viel gelernt, wenn auch nicht unbedingt schulisch", sagt er und kann deshalb auch verschmerzen, dass er in Deutschland nun ein Schuljahr verloren hat.

Die Menschen, fremde wie vertraute, sieht der 17-Jährige jetzt mit anderen Augen, nimmt sie teilweise jetzt erst bewusst wahr. Daher habe er sich jüngst auch erstmals ausgiebig mit der Familien-Haushälterin unterhalten - bei einem Essen, bei ihr zu Hause.

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