Die Grünen: „Exoten“ machen Realpolitik

Seit 25 Jahren gibt es die Partei in Sprockhövel. Sie brachte gleich in der ersten Ratssitzung eine Klimaveränderung in Gang.

Sprockhövel. 25 Jahre Grüne in Sprockhövel. Die Ratsmitglieder Britta Altenhein und Udo Beckmann sind von der ersten Stunde an dabei und erinnern sich zurück, wie die neue alternative Partei mit ihren Umweltthemen damals das politische Klima im Land, aber auch in Sprockhövel recht schnell veränderte.

Als politische Randerscheinung mussten sich die Sprockhöveler Grünen von Anfang an nicht fühlen, gelang doch 1984 auf Anhieb mit 7,4 Prozent der Einzug ins Stadtparlament. Und von da an ging es fast kontinuierlich bergauf, über 10,5, 13,8, 9,0 bis zu 14,8 Prozent bei der Wahl 2004.

"Dabei hätten wir uns damals alle nicht vorstellen können, in eine Partei einzutreten", erzählt Beckmann über die ersten Zusammenkünfte von Gleichgesinnten in Gevelsberg Ende der 70er Jahre. "Viele sind wie Britta und ich dort zur Schule gegangen. Eigentlich lief es anfangs eher auf einen Umweltverein hinaus. Weil sich aber gleichzeitig überall grün-alternative Listen bildeten, haben wir erst gemerkt, dass Umweltschutz ein hoch politisches Thema ist."

Nach dem Ortsverband EN-Süd 1979/80 wurde dann im Mai 1983 der Ortsverein Sprockhövel gegründet. "Anfangs waren wir fünf bis sieben Leute", erinnert sich Britta Altenhein. Auf einen prompten Einzug in den Stadtrat habe man zwar gehofft, ihn aber nicht erwartet.

"Wie überall galten die Neuen als Exoten, als sie als "junge Wilde" in Pulli und Jeans und mit Topfblume in die ersten Rats- und Ausschusssitzungen einzogen. Der gemeine Ratsherr trug damals noch Anzug und Krawatte. "Wir wurden höflich aufgenommen, aber man merkte schon, dass die meisten uns wohl eher für eine Randerscheinung hielten", so Udo Beckmann. "Sätze wie: Sie können das ja noch nicht so wissen", seien häufiger zu hören gewesen.

Gleich in der ersten Ratssitzung brachten die Grünen im wahrsten Sinne des Wortes eine Klimaveränderung in Gang. Noch wurde in den Ausschüssen geraucht - allen voran der damalige Bürgermeister Hans Käseberg und sein späterer Nachfolger Paul Gerhard Flasdieck mit ihrer Vorliebe für Zigarren und Zigarillos. Mit dem Antrag der Grünen auf ein Rauchverbot war klar, dass diese Zeit zu Ende ging. Aus dem blauen Dunst heraus kam der nämlich nicht. "Sobald sich jemand beschwert, ist ein Rauchverbot zu verhängen", hieß es im Gesetz.

"Der damalige Stadtdirektor Schofeld ist nach der Sitzung zu uns gekommen und meinte: gut gemacht", erinnert sich Udo Beckmann an den ersten erworbenen Respekt. Darf man Kompromisse eingehen, um politisch mitgestalten zu können? Diese Frage, die bei den Grünen auf Bundesebene jahrelang zwischen "Realos" und "Fundis" erhitzt debattiert wurde, stellte sich in Sprockhövel nicht. "Wir haben hier immer versucht, Realpolitik zu machen", sagte Britta Altenhein in der Rückschau.

Anfangs stellte sich die Frage auch nicht, weil die SPD bis 1994 über eine absolute Mehrheit verfügte. Doch dann musste sie plötzlich nach Mehrheiten suchen und schloss eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit mit den Grünen. Die hielt aber nur zwei Monate, weil die SPD ihr Versprechen, gegen eine Golfplatzerweiterung zu stimmen, nicht einhielt. "Nach diesen Erfahrungen haben wir in den folgenden Jahren besser mit der CDU zusammengearbeitet", sagte Britta Altenhein. Das blieb für viele Jahre prägend.

Entscheidungen wie die für den Rathausanbau, das Neubaugebiet am Krüner oder die Erneuerung des Busbahnhofs in Haßlinghausen wurden so mitbestimmt. Dass dabei am Krüner ein Grundstück von ökologisch hoher Wertigkeit bebaut wird, brachte den Grünen allerdings auch den Vorwurf ein, politische Ideale zu verraten. Die argumentierten damit, dass sie so ihre Forderung nach einer ökologischen Mustersiedlung durchsetzen konnten.

Parteiaustritte, die es immer wieder gab, seien allerdings meist bundespolitisch begründet gewesen, so Udo Beckmann. Etwa durch die Zustimmung zum Kosovo-Einsatz oder einst in Düsseldorf zum Metro-Rapid. Die derzeit 24 Mitglieder bedeuten über die Jahre einen relativ gleichbleibenden Stand, einmal seien es 28gewesen, heißt es.

Einsatz für den Rad- und Wanderweg Alte Trasse, gegen eine Umgehungsstraße Haßlinghausen und für den Neubau des Busbahnhofs führte aus Sicht der Grünen zu den Erfolgen. Der vergebliche Kampf gegen die Golfplatzerweiterung oder die Verlegung des Sportplatzes Haßlinghausen stehen auf der anderen Seite. Seit der Wahl 2004 fallen im Stadtrat aber sehr oft Entscheidungen mit schwarz-roter Mehrheit.

Keine Frage, der politische Einfluss der Grünen in der Stadt war schon einmal größer, obwohl sie noch nie so viele Stimmen hatten. "Dass wir hier so viele Wähler haben, zeigt aber, dass die Bevölkerung uns wahrgenommen hat", sagt Britta Altenhein. "Ansonsten sind doch eher Universitätsstädte Grünen-Hochburgen."

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