Der Versuch der Lehrer, mit dem Unfassbaren umzugehen

Der Amoklauf von Winnenden war am Donnerstag auch im Unterricht Thema. Notfallpläne gibt es inzwischen an allen Schulen.

Sprockhövel. Einen Tag nach dem Amoklauf von Winnenden waren die Bluttaten des 17-jährigen ehemaligen Realschülers Tim Kretschmer am Donnerstag natürlich auch an den Schulen in Sprockhövel Gesprächsthema Nummer eins. "Die Schüler waren erstaunlich gut informiert", sagt Olaf Schultes, Klassenlehrer einer 8.Klasse an der Gemeinschaftshauptschule Niedersprockhövel. Wie alle Lehrer ließ er auf Wunsch in der ersten Stunde Raum für Nachfragen und Diskussionen, um das Ereignis besser verarbeiten zu können. Erstaunlich fand es Schultes, dass sich seine Schüler bereits eine dezidierte Meinung über die Psyche des Täters gebildet hatten. Tenor: "So etwas kann bei uns nicht passieren, hier gibt es bei Problemen Leute, mit denen man sprechen kann." Gemeint ist unter anderem Schulsozialpädagoge Uli Winkelmann, der sich nicht nur um die sportliche Fitness, sondern vor allem um das seelische Wohl der Schüler kümmert.

Auch die Gesamtschule des Ennepe-Ruhr-Kreises ist mit zwei Schulsozialpädagogen bei rund 1200 Schülern in diesem Bereich besser ausgestattet als der Bundesdurchschnitt. Auch dort setzte man am Donnerstag auf Gespräche im Klassenverband über die Vorkommnisse von Winnenden - falls das gewünscht wurde. "Die Klassenlehrer haben versucht, das Geschehene auf eine rationale Ebene herunterzuziehen. Auf eine Gemeinschaftsveranstaltung haben wir bewusst verzichtet, um insbesondere bei den jüngeren Schülern nicht noch zusätzlich Ängste aufzubauen, ohne dass es Lehrer und Eltern dann auffangen könnte.", sagte die stellvertretende Schulleiterin Bettina Garnerus.

Ihre Hausaufgaben in Sachen Notfallpläne haben die Sprockhöveler Schulen inzwischen weitgehend gemacht. Die wurden bereits ab 2007 nach dem Amoklauf von Emsdetten - mit der Polizei - erarbeitet. Während man an der Gesamtschule für den Ernstfall bewusst auf gezielte Lautsprecherdurchsagen setzt, wurde beispielsweise an den fünf städtischen Grundschulen und der Hauptschule in den Sommerferien eine dritte Alarmanlage installiert, die mit einem speziellen Ton auf eine Amoklage hinweisen soll. Anders als bei Feueralarm heißt es dann: in den Klassen bleiben, am besten verbarrikadieren und still verhalten. Erst vor zwei Wochen hat es dazu an der Hauptschule und der benachbarten Grundschule Börgersbruch eine Übung gegeben. "Wir haben für uns ein zusätzliches Stichwort vereinbart, auf das hin wir alle ganz still sind", sagt Grundschullehrerin Monika Spormann, für die es eine schwierige Aufgabe ist, dieses Thema ihren jungen Schülern zu vermitteln, ohne unnötig Angst zu schüren.

"Die Schüler waren ernsthaft dabei, es hat alles gut funktioniert", sagt Hauptschulrektorin Christiane Albrecht zu der Übung. Hauptschule und Börgersbruch sind inzwischen mit einer einheitlichen Raumbezeichnung ausgestattet, die auch im Klassenraum selbst abzulesen ist und bei Meldungen an die Polizei sofort für Klarheit sorgt.

"Das ist noch nicht bei allen 92 Schulen im Kreis geschehen, für die wir zuständig sind", sagt Polizeisprecher Dietmar Trust. Alle Grundrisse der Schulen liegen indessen bei der Polizei vor, alle 92 Schulen sind von zwei zuständigen Beamten besucht worden, um Notfallpläne abzusprechen und Verhaltenstipps zu geben. "Inwieweit Schulen auf die Hilfs- und Beratungsangebote der Polizei eingehen, ist aber letztlich ihre Sache", stellt Trust klar.

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