Serie „Die EU und ich“ In Wuppertal baut die EU Spielplätze

Wuppertal · „Die EU und ich“: Für Christine Roddewig-Oudnia und Andreas Kletzander liegt die EU in Oberbarmen. Dort gäbe es die „Soziale Stadt“ ohne Förderung aus Brüssel nicht.

Im Büro von Christine Roddewig-Oudnia ist die EU auch optisch vertreten. Zusammen mit Andreas Kletzander vom Jobcenter und finanzieller Hilfe aus Brüssel bringt die Jugendamtsleiterin Leben in die „Soziale Stadt“.

Im Büro von Christine Roddewig-Oudnia ist die EU auch optisch vertreten. Zusammen mit Andreas Kletzander vom Jobcenter und finanzieller Hilfe aus Brüssel bringt die Jugendamtsleiterin Leben in die „Soziale Stadt“.

Foto: Juliane Kinast

Im Quartier Oberbarmen/Wichlinghausen in Wuppertal ist Europa überall. Weil es ein Stadtteil ist für diejenigen, die ankommen, spiegelt es sich in der Mischung der über 30 000 Menschen, die hier auf gerade einmal 3,75 Quadratkilometern leben, wider: Ab den 60ern zogen Griechen und Italiener zu, in den 90ern Menschen aus Osteuropa. Aber auch im Beton ist Europa. Jede Menge. Das kleine Gebiet ist als Fördergebiet „Soziale Stadt“ ausgewiesen. Allein zwischen 2015 und 2018 gab es aus Brüssel einen zweistelligen Millionenbetrag für Städtebau-, Sozialraum- und Arbeitsmarktförderung.

Jugendamtsleiterin Christine Roddewig-Oudnia und Andreas Kletzander vom Jobcenter, die in der „Sozialen Stadt“ eng zusammenarbeiten, kennen die vielfältigen Probleme des Viertels nur zu gut. Die Zuwanderung an sich ist es nicht, sondern eher, dass jene Zugewanderten, die gesellschaftlich und wirtschaftlich ankommen, wieder gehen. „Diejenigen, die es nicht schaffen, bleiben“, erklärt Roddewig-Oudnia. „Die Armutsquote ist sehr hoch.“ In machen Straßenzügen, ergänzt Kletzander, liegt die Quote der unter 15-Jährigen, die von Hartz IV leben, bei 70 bis 80 Prozent. Es gebe „ganz, ganz viele verstärkende Elemente“ – Schulverweigerung etwa oder Ausbeutung durch Vermieter.

Hinzu kommen städtebauliche Herausforderungen: Angsträume, Leerstände, ein Mangel an Spielräumen für Kinder – all das mache viel mit dem Lebensgefühl der Menschen, sagt die Jugendamtschefin. Das Problem: Als Stärkungspakt-Kommune unterliegt Wuppertal Beschränkungen bei seinen Investitionen. Die Förderkulisse „Soziale Stadt“ ist deshalb „ein gutes Geschäft“, so Roddewig-Oudnia: Die Stadt muss einen Eigenanteil von zehn Prozent aufbringen, die restlichen 90 Prozent geben Bund und EU dazu. In den vergangenen drei Jahren waren das 13 Millionen Euro an Fördermitteln für Oberbarmen/Wichlinghausen „nur für bauliche Maßnahmen“ – wie Hof- und Fassadenprogramm, die Ertüchtigung sowie Neubau von Plätzen und Spielplätzen.

Bei diesen allerdings bleibt es in der „Sozialen Stadt“ nicht. Wichtig sind den Partnern nicht nur die Steine, sondern auch die Menschen, die darin leben. „Wir haben in Oberbarmen gute Angebote“, sagt Andreas Kletzander. „Aber sie kommen bei den Leuten nicht an.“ Die Daten des Jobcenters offenbarten: Hier wird die Abhängigkeit von Transferleistungen teils schon seit Generationen quasi vererbt. Anfang des vergangenen Jahres wurde deshalb das Projekt „Familien im Quartier“ aufgelegt, bei dem Sozialarbeiter, Familienhebammen und Kinderkrankenpfleger in die betroffenen Familien gehen und ganz genau schauen: Was wird gebraucht? Das Geld kommt wiederum zur Hälfte aus Brüssel.

Perspektivisch werden für die Eltern kleine Jobs im Quartier gesucht – davon hat nicht nur die Nachbarschaft etwas, es fördert auch die Identifikation mit dem Zuhause. Und viele Kinder sehen zum ersten Mal, dass Mama oder Papa mal zur Arbeit geht. Der Erfolg nach knapp anderthalb Jahren ist durchschlagend aus Sicht des Jobcenters: „Zehn Prozent sind auf dem ersten Arbeitsmarkt gelandet“, so Kletzander, weitere Menschen in Arbeits- und Ausbildungsmaßnahmen. Man habe Familien erreicht, von denen es sonst immer heiße, sie seien einfach nicht mehr erreichbar. „Wir lernen unglaublich viel“, erklärt der Jobcenter-Vorstand. Etwa, nicht in Einzelpersonen, sondern in Familien und Biografien zu denken und diese ganzheitlich in den Fokus zu rücken. Ziel sei jetzt, dieses Gelernte aus dem Projekt in die Regelangebote zu überführen und dauerhaft die Arbeit der Jobcoaches zu verbessern.

Wäre das möglich gewesen ohne EU-Förderung? „Schwer“, sagt Andreas Kletzander. „Nein“, sagt Christine Roddewig-Oudnia. „Das Geld schafft uns Freiräume“, verdeutlicht Kletzander. 28 Vollzeitstellen bei der Stadt und einem sozialen Träger würden derzeit in Wuppertal von der EU gefördert. Davon allein 17 für die „Soziale Stadt“ in Oberbarmen. Bis 2020 läuft die aktuelle Förderperiode. Ob sich die Stadt mit neuem Handlungskonzept für das Quartier noch einmal bewirbt, ist offen.

Auch so ist Christine Roddewig-Oudnia optimistisch, dass viel bleiben wird von der „Sozialen Stadt“ in Oberbarmen/Wichlinghausen. Die EU-Förderung habe vieles anstoßen können. Selbst über Quartiere hinweg: So entstand im Viertel Ostersbaum, das zwölf Jahre lang „Soziale Stadt“ war, mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) ein neues Stadtteilzentrum in einer alten Fabrikhalle. Die Verbindung von günstigen Flächen für junge Unternehmen und Raum für die Menschen aus dem Stadtteil dort inspirierte die Montag Stiftungen, die nunmehr in einer Fabrik in Oberbarmen ein Zentrum mit Wohnungen, Gewerbeflächen, Kita, Viertelsküche und Nachbarschaftspark – den Bob-Campus – plant. Für sieben Millionen Euro, verdeutlicht Roddewig-Oudnia. Das, was mit EU-Geld entstand, zieht also weiteres Geld nach Wuppertal. Ein Beispiel, wie Brüssel direkt vor der Haustür wirkt.

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