Corona-Krise Schutzmaske und Hygienehaken - NRW-Betriebe stellen Produktion um

Düsseldorf · Durch die Folgen der Corona-Krise ist bei vielen Unternehmen die Produktion weggebrochen. Gleichzeitig besteht ein riesiger Bedarf an Schutzmasken und anderen Medizinprodukten. Einige Firmen in Nordrhein-Westfalen haben schnell darauf reagiert.

 Symbolbild

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Foto: dpa/Jens Büttner

Die Automobilindustrie steht wegen der Corona-Krise weitgehend still. Viele Zulieferer in Nordrhein-Westfalen müssen Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken. Wer kann, versucht mit Alternativen wenigstens für einen Teil seiner Belegschaft neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen - und weicht dafür häufig auf Medizinprodukte aus.

Wie die Firma DFA in Bielefeld. Normalerweise liefert das Familienunternehmen an VW, Daimler, BMW oder Audi - etwa ein Mikrofaservlies, das zur Schalldämmung in den Autos eingesetzt wird. Doch jetzt werden auf zwei Anlagen Atemschutzmasken gefertigt. Mit den Maschinen seien früher Teile für Filter hergestellt worden, berichtete DFA-Geschäftsführer Ralf Dopheide. „Deshalb konnten wir sie auf die Produktion von Atemschutzmasken umstellen.“

Seit knapp zwei Wochen laufen die Maschinen auf Hochtouren - an sieben Tagen pro Woche. Rund 2 Millionen Masken werden wöchentlich fertig. Verkauft werden sie in 1000er-Paketen - und vorerst nur als Bausatz. „Wir haben noch keine Maschine, um die Gummibänder an die Maske zu bringen“, sagte Dopheide. Deshalb gibt es eine Anleitung fürs Zusammenbauen der Masken. Der Nachfrage tue das keinen Abbruch, auch der Masken-Einkäufer des NRW-Gesundheitsministeriums habe sich schon gemeldet.

„Die Mund-Nase-Schutzmaske hat eine Sonderzulassung des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte für den Einsatz im medizinischen Bereich“, betonte Dopheide. Bei der Medizin-Aufsichtsbehörde in Bonn gehen in diesen Tagen zahlreiche Anträge auf Zulassung solcher Masken ein. Es gebe ein „hohes und dynamisches Aufkommen“, sagte ein Behördensprecher.

Auch der Anlagenbauer Reifenhäuser in Troisdorf produziert jetzt für den Gesundheitsschutz. In seinem Testzentrum, das sonst ausschließlich für Forschung und Entwicklung genutzt wird, produzieren zwei Maschinen ein Vlies, das für Atemschutzmasken verwendet werden kann. Die Tagesmenge reicht nach Firmenangaben für bis zu einer Millionen Atemschutzmasken. Auch für Schutzanzüge oder Hauben könne das nötige Material in Troisdorf produziert werden.

Das Beispiel Reifenhäuser zeigt aber auch, wo das Problem bei der Produktion von Atemschutzmasken liegt. Es gibt hierzulande keine Hersteller. Weil der Anlagenbauer zunächst keinen deutschen oder europäischen Produzenten ausfindig machen konnte, ging der Vliesstoff anfangs an einen vietnamesischen Hersteller für Atemschutzmasken. Inzwischen habe man aber Abnehmer in Deutschland gefunden, die den Stoff zu Schutzmasken weiterverarbeiten, sagte eine Unternehmenssprecherin.

Wie wichtig eine größere Produktion in Deutschland wäre, zeigt eine Zahl vom Montag. Da hatte der FDP-Fraktionsvize im Bundestag, Michael Theurer geschätzt, dass in Deutschland etwa eine Milliarde Schutzmasken benötigt werden. Nach Angaben der Bundesregierung hatte der Bund bis dahin 20 Millionen Masken beschafft.

Ein großer Bedarf besteht auch an Beatmungsgeräten. Das Unternehmen BIW Isolierstoffe in Ennepetal, das in großem Umfang an die Autoindustrie liefert, hat seine Produktion deshalb ebenfalls umgestellt. In der Corona-Krise fertigt BIW nun in erster Linie wiederverwendbare Schläuche, die an Beatmungsgeräten eingesetzt werden können.

Solche Schläuche gehörten zwar schon in Vor-Corona-Zeiten zum Angebot des Unternehmens das über einen Reinraum zur Fertigung von Silicon-Formteilen für den Medizinbereich verfügt. Jetzt sollen in Ennepetal bis zu 400 000 Meter Silikonschläuche produziert werden - eine Menge, die sonst nicht in einem Zeitraum von zehn Jahren abgerufen wird, wie Geschäftsführer Ralf Stoffels berichtete.

Beim Druckluftspezialisten Boge in Bielefeld hat der Bau von Kompressoren für die Medizintechnik inzwischen Vorrang. Man setze „alles daran, die Produktion unserer entsprechenden Maschinen und Geräte zu intensivieren“, hatte Michael Rommelmann, Technischer Geschäftsleiter bei dem ostwestfälischen Unternehmen, angekündigt. Boge beliefert seit Jahren den Medizintechnikhersteller Dräger, der einen Großauftrag der Bundesregierung über 10 000 neue Beatmungsgeräte erhalten hatte.

Auf eine spezielle Corona-Idee ist der Kunststoffverarbeiter Böhm Plast-Technology aus Neuenrade im Sauerland gekommen. Er hat jetzt einen sogenannten Hygienehaken im Angebot, der sich zum Öffnen und Schließen von Türklinken, zum Drücken von Lichtschaltern und Halteknöpfen in Bussen und Bahnen eignen soll. Auch an der Stange eines Einkaufswagens lasse sich der Haken fixieren, so dass der Wagen ohne direkten Kontakt durch den Supermarkt geschoben werden könne, wirbt Geschäftsführer Dennis Böhm für den Haken.

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