Nur auf die Blutgruppe kommt es nicht an Gesucht: Menschen mit seltenem Blut

Düsseldorf · Blut ist gleich Blut? Eben nicht. Das Rote Kreuz sucht Menschen mit besonderem Blut. Vor allem unter Migranten und Flüchtlingen.

 Blutspenden können Leben retten. Aber nur, wenn das Blut genau passt. Heute weiß man: Dabei kommt es nicht nur auf A, B, Null und Rhesusfaktor an.

Blutspenden können Leben retten. Aber nur, wenn das Blut genau passt. Heute weiß man: Dabei kommt es nicht nur auf A, B, Null und Rhesusfaktor an.

Foto: dpa/Maja Hitij

Blut ist rot und es ist lebenswichtig. Das gilt für jeden Menschen auf dieser Welt. Und doch trifft es nur scheinbar zu, dass der Inhalt unserer Adern uns global vereint. Blut ist nicht gleich Blut und so kann auch nicht jede Blutspende jedem Menschen helfen. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) hat mit vier nordrhein-westfälischen Partnern das Projekt „BluStar.NRW“ ins Leben gerufen und sucht explizit Menschen mit seltenem Blut als potenzielle Lebensretter.

Die meisten Laien wissen wohl höchstens, ob sie Blutgruppe A, B oder Null haben und einen negativen oder positiven Rhesusfaktor. Das, so heißt es landläufig, ist für eine Bluttransfusion entscheidend. Aber es gibt noch viele weitere Blutgruppensysteme, erklärt die Düsseldorfer Uni-Klinik, die ebenfalls bei „BluStar-NRW“ im Boot ist: MNS, Duffy, Kell, KIDD und Lutheran, P1PK, Lewis, Diego, Dombrock, Colton, H. Gerbich, Cartwright und Cromer. Sie unterscheiden sich nach Antikörpern gegen Blutbestandteile und sind meist genannt nach Patienten, bei denen diese seltenen Blutgruppen erstmals entdeckt wurden. In den vergangenen Jahren geschah das immer wieder.

Ein Malaria-Antigen sorgt für Probleme mit deutschem Blut

Und diese Antigene des Bluts sind eine Frage der Herkunft, erklärt Tanja Reimer, Projektkoordinatorin für „BluStar.NRW“ beim DRK-Blutspendedienst West. Keinesfalls allerdings eine Rassenfrage, sondern vielmehr evolutionär bedingt durch die Krankheiten, die in einer Region der Welt vorherrschen und gegen die der Körper sich wappnet. So bezieht sich etwa der Duffy-Faktor auf ein Antigen, das den Träger resistent gegen den Malaria-Erreger macht. Dies ist der Beispielfall, mit dem „BluStar.NRW“ auf einem Flyer um Spender  aus aller Welt wirbt: Mehr als 90 Prozent der Afrikaner tragen dieses Antigen, aber weniger als ein Prozent der Europäer. Das bedeutet: Die Gefahr, dass der Organismus eines Afrikaners deutsches Spenderblut abstößt, ist groß. Im schlimmsten Fall verklumpt das Blut. Reimer: „Das kann tatsächlich zum Tod führen.“

In der jüngeren Vergangenheit hat es viel Forschung zum Thema neuer Blutgruppen gegeben, erklärt Reimer. Doch nicht nur das führte zur Erkenntnis, dass man handeln muss. Durch die zunehmende Migration speziell nach Nordrhein-Westfalen sei auch der Bedarf an Blut mit anderen als den typisch deutschen Antigenen gestiegen. „Die Problematik, dass seltenes Blut gebraucht wird, ist öfter aufgetaucht.“ Gerade bei Menschen, die aus Afrika, dem Nahen und Mittleren Osten zugewandert sind, gibt es Schwierigkeiten in der Versorgung. Reimer erinnert sich an den Fall eines Diplomaten aus Südafrika, der mit seiner schwerkranken Frau schließlich in seine Heimat zurückkehren musste, weil für ihre regelmäßige Behandlung mit Frischblut keine passenden Spender existierten.

 Tanja Reimer ist Projektkoordinatorin von „BluStar.NRW“.

Tanja Reimer ist Projektkoordinatorin von „BluStar.NRW“.

Foto: Reimer/Tanja Reimer

Erste Stammzelltransplantation durch „BluStar.NRW“

„BluStar.NRW“ wurde 2017 gegründet, seit dem vergangenen Jahr befindet sich eine Datenbank mit Spendern von seltenem Blut im Aufbau. 11 000 Spender wurden laut Tanja Reimer seither untersucht, um herauszufinden, ob ihr Blut besonders ist und sie sich in einem Notfall für einen Menschen mit dem gleichen besonderen Blut an die Nadel legen würden. Das allerdings bedeutet nicht, dass es jetzt wirklich 11 000 registrierte Spender gibt: Man gehe davon aus, dass weniger als fünf Prozent von ihnen tatsächlich „besonders“ sind.

Die Blutgruppen so genau zu sequenzieren, ist eine komplexe Arbeit. Damit sie in Zukunft schneller geht, entwickelt das Institut für Transplantationsdiagnostik und Zelltherapeutika der Düsseldorfer Uni-Klinik derzeit ein Blutgruppen-Typisierungskit, das parallel etwa 100 Proben analysieren soll. Das Institut ist neben dem Institut für Transfusionsmedizin der Uni Essen und der Westdeutschen Spenderzentrale (WSZE) Partner bei „BluStar.NRW“. Letztere ist eine Knochenmarkspender-Datei und hat naturgemäß ähnliche Versorgungsprobleme für „besondere“ Patienten wie der DRK-Blutspendedienst. Im Rahmen des NRW-Projektes wurden bereits mehr als 1600 Menschen als potenzielle Knochenmark- oder Stammzellspender typisiert, mehrere sind in der näheren Auswahl für eine konkrete Spende – in einem Fall wurde durch „BluStar.NRW“ bereits eine Stammzelltransplantation durchgeführt.

Angesprochen werden laut Reimer nicht nur Flüchtlinge und frisch Zugewanderte, sondern auch Menschen, die in zweiter oder dritter Generation in Europa leben – wenig gefragt sind übrigens Asiaten: Ihr Blut ist dem europäischen sehr ähnlich. Doch es sei schwierig, die Zielgruppe zu erreichen. Die registrierten potenziellen Spender von besonderem Blut fungieren deshalb auch als Multiplikatoren in ihren Gemeinschaften. Zudem nutze das Rote Kreuz die eigene Infrastruktur für die Ansprache und Information, gehe zudem in Integrationsräte der Städte, zu Kirchengemeinden und in die Arbeitsagentur. Aber etwas Besonderes tun, muss jemand, der sein Blut auf Besonderheit testen lassen mag, nicht: „Grundsätzlich ist es bei jeder Blutspende möglich“, sagt Reimer, also bei jedem Blutspendetermin des DRK im ganzen Land.

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