Zurück zu den Wurzeln des Shakespeare-Theaters

Propeller Company überzeugt mit einer tempo- und einfallsreichen Inszenierung von „Twelfth Night“.

Neuss. In Illyrien geht es turbulent zu: Männer lieben Männer, Frauen lieben Männer, die lieben sie aber nicht. Am Ende haben alle, was sie wollen — und ihr Glück gefunden. Intensiv, tempo- und einfallsreich kommt Edward Halls Inszenierung von Shakespeares Twelfth Night (Was ihr wollt) im Globe daher.

Die drückend schwüle Luft lässt sich mit Fächer oder Programmheft zwar nicht vertreiben, aber die Propeller Company macht Lust auf britisches Theater und bringt frischen Wind an die Rennbahn.

Im Vollmondschein bei Blitz und Donner erwacht die Szenerie mit dem Spiel der Mandoline: Es bläst ein gewaltiger Sturm über die Bühne, der treibt Nebelschwaden vor sich her, Schauspieler tauchen unter schwerem Tuch hervor, der Herzog (Christopher Heyward) ertränkt seine Sorgen im Wein.

Nach dem Schiffbruch rettet sich Viola (später Cesario: Joseph Chance) an die Küste Illyriens, doch vom Zwillingsbruder Sebastian (Dan Wheeler) fehlt jede Spur. Sie beschließt, sich als Mann (Cesario) zu verkleiden. Auf der fremden Insel, die von Liebe und Musik erfüllt ist, herrscht Herzog Orsino, der in die Gräfin Olivia verliebt ist.

Die Geschichte von Liebe und Betrug, Verrat und Verwechslung nimmt ihren Lauf. Doch die Propeller-Version zeigt erwartungsgemäß mehr als eine vergnügliche Klamotte: Die Inszenierung spielt mit der Ambivalenz der Geschlechter, die das Theaterstück erst spannend und modern macht.

Die Company ist ein rein männliches Ensemble, das Shakespeare „auf die einfachste Art wiederentdecken will“. Das ist gelungen. Wie zu Shakespeares Zeiten gibt es keine Schauspielerinnen. Nach vielen Aufführungen der Komödie, in denen Frauen in die Männerrollen schlüpfen, ist das eine schöne Rückkehr zu den Wurzeln.

Die weiblichen Rollen werden von den Männern mit kleinen Zugeständnissen an die Weiblichkeit (Glitzerkleid, Ohrringe, Schminke oder rote Federpantoletten) dargestellt. Durch Manierismen, Ausdruck und Bewegung gelingt es ihnen wunderbar, die Vielfalt der weiblichen Emotionen zu zeigen (großartig: Ben Allen als Olivia und Gary Shelford als Maria, ihre Zofe).

Das 15-köpfige Ensemble überzeugt in jeder Hinsicht. Und doch bleibt das Stück düster und geheimnisumwoben. Dazu tragen auch die Musik (alle spielen Instrumente), mannshohe Spiegelschränke und die weiß-maskierten Gestalten bei, die das Geschehen aus jedem Blickwinkel zu verfolgen scheinen.

Hervorzuheben ist natürlich noch der stets betrunkene Sir Toby (Vince Leigh). Der Mann muss geübt haben — so gut spielt er seine Rolle. Chris Myles steht ihm als liebestoller Haushofmeister Malvolio mit seiner Amtskette schauspielerisch in nichts nach. Wie Zofe Maria ihn mit einem gefälschten Brief dazu verleitet, in gelb-schwarzer Netzstrumpfhose und SM-Lederslip zu erscheinen, ist herrlich komisch.

Um 23 Uhr geht ein warmer, aber beschwingter Theaterabend zu Ende.

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