Warum Migranten so wenig Anteil am Schützenfest haben

Gerade Muslime tun sich schwer, einen Bezug zu bekommen.

Warum Migranten so wenig Anteil am Schützenfest haben
Foto: woi

Neuss. Wenn am Wochenende wieder über 5750 Schützen (plus rund 2000 Musiker) durch die Stadt ziehen, marschiert ein Stück Türkei immer mit. Denn ein Großteil der Accessoires an der Schützenuniform wird im Geburtsland von Regimentsschneider Mustafa Tezgör hergestellt. „Das wäre hier ansonsten zu teuer“, sagt der 54-Jährige mit Blick auf Zylinder aus Seide, Handschuhe und vor allem die unterschiedlichen Korpsabzeichen.

Tezgör selbst hingegen ist eine Rarität. Als solche jedenfalls bezeichnet Waltraud Beyen jene Migranten, die sich im Neusser Schützenwesen engagieren. Die Vorsitzende des Bundes Muslimischer Vereine in Neuss sagt: „Der Austausch untereinander findet kaum statt, das ist enttäuschend.“ So habe man schon mehrmals Schützenvertreter zu Veranstaltungen eingeladen, jedoch stets Absagen erhalten.

Dem widerspricht Thomas Nickel, Präsident des Neusser Bürger-Schützen-Vereins: „Wir sind im stetigen Austausch. Mehr kann man überhaupt nicht tun.“ In den 17 Jahren seiner Präsidentschaft machte er das Thema „Migranten im Schützenverein“ mehrfach zur Chefsache. Als im Sommer 2014 ein westfälischer Schützenverein einen muslimischen Schützenkönig ablehnte, äußerte er sich deutlich: „Im Neusser Bürger-Schützen-Verein könnte so etwas nicht passieren. Bei uns darf jeder mitwirken, der unsere christlichen Wertvorstellungen mitträgt.“

Ein Abbild der Stadtgesellschaft entsteht bei den Umzügen zum Schützenfest dennoch nicht, wie ein Rechenspiel belegt: In Neuss leben laut jüngsten Zahlen des Statistikamts 77 252 Männer, davon sind 13 241 Migranten — über 17 Prozent. Um auf einen ähnlichen Prozentsatz zu kommen, müssten unter den Schützen beim diesjährigen Schützenfest rund 1000 keinen deutschen Pass haben. Wie viele es hingegen wirklich sind, wird nicht erfasst — weder vom Bürger-Schützen-Verein noch von den Korps. „Weniger“, ist sich Nickel jedoch sicher, verweist aber auch auf Schützen aus 15 Nationen. „Von daher kann ich den Vorwurf, wir seien nicht bunt gemischt, nicht verstehen“, sagt er.

Der Präsident des größten Neusser Schützenvereins weiß aber auch, dass sich gerade der große Teil der Muslime unter den Neusser Migranten schwer tut mit den Schützen. Ozan Erdogan, der Vorsitzende des Integrationsrats, versucht es so zu erklären: „Das Schützenwesen ist schon etwas Besonderes, da einen Bezug zu bekommen, ist nicht so leicht und es kostet ja auch einiges.“ Allein die Uniform kostet bis zu 480 Euro. Hinzu komme, dass der Islam Alkohol verbietet. Wie es geht, beweist Moaaz Salama (27). Der syrische Flüchtling kam 2015 nach Neuss, vergangenes Jahr schloss er sich dem Schützenlust-Zug „Nordlichter“ an und feierte sein erstes Schützenfest. Auf Alkohol verzichtete der gläubige Muslim dabei — zog ansonsten aber voll mit.

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