Soziale Organisationen kämpfen ums Überleben

Die Aktivisten brauchen dringend Nachwuchs, um ihre Arbeit fortsetzen zu können.

Neuss. Die Zeit um Weihnachten und „zwischen den Jahren“ ist immer auch eine Zeit der Nächstenliebe und der Bemühungen um die Mitmenschen. Organisationen wie „terre des hommes“ oder „Amnesty International“ kämpfen auch in Neuss das ganze Jahr über für humanitäre Anliegen — doch mittlerweile wegen zu weniger Mitglieder auch um ihr eigenes Überleben.

Dabei hat etwa Roland Kehl von der Neuss Agenda 21 viel vor: Eine Fahrradkarte soll in Kooperation mit dem ADFC entstehen, ein Workshop zur Umgestaltung des Wendersplatzes organisiert werden. Und Diskussionsabende zum Thema „Wem gehört die Stadt? Zur Aufteilung des städtischen Verkehrsraums“ und zur Veränderung der Reuschenberger Tulpenstraße sind in Vorbereitung. „Wir könnten viel mehr anbieten, wenn wir mehr aktive Mitglieder hätten“, sagt Kehl.

Auf fünf, sechs Organisatoren läuft es meistens hinaus, zu den Gruppenabenden kämen auch mal 15 Interessierte. An Jüngeren fehlt es — auch, wenn für den geplanten Umweltmarkt extra zwei Schulen eingebunden werden: „Es sind nicht mehr so viele bereit, kontinuierliche Arbeit zu leisten“, sagt Kehl.

Das ist auch die Beobachtung von Roland Brozio, der die acht Köpfe zählende Neuss-Grevenbroicher „Amnesty International“-Gruppe leitet. Sein „tägliches Brot“ sei es, mit Ständen und Benefizkonzerten Geld für die Organisation, die sich nur aus Spenden finanziert, aufzutreiben und etwa mit Mahnwachen auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam zu machen.

Für die nächste Zeit ist ein Benefizkonzert in der Christuskirche geplant sowie eine große Wanderausstellung im Romaneum ab Mitte Mai. Brozio stellt eine große „Fluktuation“ junger Leute fest, die es nach dem Schulabschluss oft aus Neuss weg zieht. Auch das „Mittelalter“ fehle. „Wie wir darauf reagieren sollen, dafür habe ich noch keine Lösung gefunden“, bedauert Brozio.

Die Mitarbeit junger Leute ergebe sich überhaupt „eher punktuell“, länger dabei blieben kaum welche, stellt auch Gerd Faruß von der Regionalgruppe Düsseldorf/Neuss von „terres des hommes“ fest. Das gleiche Problem betreffe interessierte Neusser, die „terres des hommes“ von der Freiwilligenzentrale zugeteilt werden. „Die kommen dann einen Abend, gucken sich das an und bleiben wieder weg“, berichtet Faruß. Er will daher verstärkt an die Schulen gehen. An der Aktion „Straßenkind für einen Tag“ in der Innenstadt war bereits die Janusz-Korczak-Gesamtschule beteiligt.

Diesen Draht in die Schulen hat Eleonore Hillebrand mit ihrem regionalen Arbeitskreis von Solwodi gegen Zwangsprostitution nicht gefunden. „Die weiterführenden Schulen haben nicht reagiert“, sagt die Neusserin, die ihren 2005 gegründeten Verein nun auflösen ließ: Es habe sich kein Nachfolger für die Aufklärungsveranstaltungen gefunden. „Wir waren zuletzt nur noch ein Geldsammelverein — und das war uns zu wenig.“

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