Politiker drücken die Schulbank

Europaparlamentarier Sven Giegold (Grüne) und Bundestagsabgeordneter Otto Fricke (FDP) besuchten zum Europatag die beiden Kaarster Gymnasien. In 90-minütigen Fragerunden stellten die Oberstufenschüler die Europapolitik auf den Prüfstand.

Politiker drücken die Schulbank
Foto: woi

Kaarst. Der französische Präsident Emmanuel Macron wird heute für seine Verdienste um die europäische Einigung in Aachen mit dem Karlspreis ausgezeichnet. Die Laudatio hält Bundeskanzlerin Angela Merkel. Einer, der sich den Festakt nicht entgehen lassen wird, ist Sven Giegold. „Zu dieser Heuchelei fahre ich hin, um mir die Worte der Kanzlerin anzuhören“, sagte das Mitglied der Grünen im Europaparlament gestern zum Europatag am 9. Mai vor Schülern des Albert-Einstein-Gymnasiums.

Sven Giegold, Mitglied der Grünen im Europaparlament

90 Minuten lang beantwortete der Politiker die Fragen der 17-jährigen Paul Schönert und Ramon Günther aus dem SoWi-Leistungskurs der Q1 rund um das Thema Europa. In dem Austausch vor rund 150 Oberstufenschülern forderte Giegold anlässlich der Auszeichnung des französischen Präsidenten ein klares Signal der Kanzlerin. Denn während Macron mit einem mutigen Wahlkampf pro Europa symbolisch große Schritte auf Deutschland zumachte, herrsche aus Berlin Funkstille. „Deutschland muss sagen, wie es Europa wieder näher zusammenbringen will“, sagte der Gast. Immer nur ein „Nein“ zu den Vorschlägen des wichtigsten Partners sei keine Lösung.

Gleich zu Beginn seines Besuchs sagte der 48-Jährige, dass das gemeinsame Europa zwar nicht perfekt sei, aber das Beste, was der Kontinent jemals hatte. In der Diskussion mit den Schülern warnte Giegold vor den Folgen eines Handelskrieges mit den USA, denn am Ende würde es nur Verlierer geben: „Leider kapiert nur Donald Trump das nicht. Europa wird sich jedenfalls nicht von einem Egoisten am Nasenring durch die Manege ziehen lassen.“ Giegold forderte außerdem im Kampf gegen Steueroasen ein gemeinsames Steuerrecht sowie Mindeststeuersätze und er erinnerte daran, dass Europa kein Wirtschaftsprojekt ist: „Sonst wäre es eine seelenlose Veranstaltung. Es geht darum, die Spaltung von Nationen zu überwinden.“ Nur in der Gemeinschaft könne auch gegen die großen Unternehmen etwas erreicht werden, erkennbar bei der Steuerstrafe und -nachzahlung für Apple in Irland und der kommenden EU-Datenschutzgrundverordnung, die auch Facebook betrifft.

Auch das Georg-Büchner-Gymnasium erhielt wegen des Europatags Besuch aus der Politik. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Otto Fricke stellte sich den Fragen der Schülerinnen Nina Kirschstein und Minu Meykadeh. Angesprochen auf einen EU-Beitritt der Türkei sagte er: „Wer beitreten möchte, sollte Voraussetzungen erfüllen und sich an Grundsätze halten.“ Mit Erdogan sei ein Beitritt in weiter Ferne. Eine fast gegenteilige Situation biete der Brexit. „Das war eine dumme Entscheidung“, sagte Fricke. Aber er mahnte, nicht nur den Finger zu erheben und Großbritannien den Fehler aufzeigen, sondern sich selbstkritisch zu hinterfragen, ob und wo ein Fehler bei der EU liegen könne, denn mit Großbritannien gehe ein Land mit gutem ökonomischen Verständnis verloren.

Am Albert-Einstein-Gymnasium fragten die Schüler zum Abschluss, woran Europa scheitern könnte. Die Antwort von Giegold: „Europa kann nur scheitern, wenn es nicht mehr von seinen eigenen Ideen überzeugt ist und diese nicht mehr verteidigt.“

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