Pionier moderner Glaskunst

Ausstellung in Düsseldorf verweist auf Neusser Werk.

Neuss/Düsseldorf. Johan Thorn Prikker wird ab Samstag im Düsseldorfer Museum Kunstpalast mit einer Retrospektive gefeiert. Sein größtes Werk, die Glasfenster in der Dreikönigenkirche, sind in einem Drei-Minuten-Film zu sehen. Der alarmgesicherte Schatz an der Jülicher Straße wird den Besuchern wärmstens empfohlen.

Zurzeit erhellt die Sonne die drei mittleren Chorfenster, die Farbenpracht ist nicht zu überbieten. Mit diesen Fenstern von 1912 wurde der Protestant aus Den Haag, der die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen hatte, zum Pionier der modernen Glaskunst.

Er malte mit Glas statt auf Glas. Während die Traditionalisten ihre Emailfarben auf Glasgrund auftrugen, schlug Thorn Prikker einen Bogen von der mittelalterlichen Bleiverglasung zur Kunst der Gegenwart.

Immer wieder leuchtet das himmlische Blau aus dem Gewand der Maria auf, wenn sie sich in einer kühnen Diagonale über das Kind Krippe beugt. Ihr Gesicht ist fast unkoloriert, dadurch wirkt es in der Frühlingssonne lichthaltig. Und der Körper des Gekreuzigten lebt von den Schräglinien, als wolle er an den fest gefügten Mauern der Kirche rütteln.

Außer drei von fünf Chorfenstern überdauerten auch je zwei hohe, schmale Querhausfenster den Zweiten Weltkrieg. Berühmt ist das Fenster im linken Querhaus. Der Künstler erweist sich als Stratege im Aufbau des Farblichtes.

Den Stern von Bethlehem bildet er aus zwei streng ineinander geschobenen Dreiecken und entfächert sein Licht in elf Strahlen, die das Kind von hinten beleuchten. Wieder ist das Gesicht von Maria und Jesus-Knabe so hell belassen, dass die Sonne wie eine Licht-Emanation durch die Köpfe dringt.

Die Szene der drei Könige konzentriert sich auf eine große Gestalt und die zierliche Himmelskönigin. Thorn Prikker bleibt gegenständlich, aber Farbauffassung und Bildgliederung sind abstrakt.

Im großen rechten Fenster des Querschiffs bricht er das Kleid Mariens prismatisch auf. Das Magdalenenfenster gegenüber zeigt den lichtumstrahlten Christus, der sich Maria Magdalena zuwendet.

Wie ornamental Thorn Prikker bei aller Genauigkeit der biblischen Szenen dachte, wird in Kristall, Kreuz und Blumenmotiven deutlich. So prächtig hat noch niemand den Stern von Bethlehem mit abstrakten Ornamenten oder das Kreuz mit einem Rosen-Rhombus umgeben.

Die optische Gewalt dieser Bilder war so groß, dass der Kölner Erzbischof Felix von Hartmann 1912 vor ihnen zurückschreckte. Als die Gläser auf der Sonderbundausstellung in Köln gezeigt wurden, jubelte die Fachwelt, während die Kirche den gerade erst zum Rektor ernannten Kaplan Joseph Geller zwangsversetzte.

Doch Geller und die Kunstfreunde Thorn Prikkers gaben nicht nach. Sie zeigten die Fenster, die der Familie Geller gehörten, auf der Werkbundausstellung 1914 abermals in Köln. Dort kaufte sie das Neusser Ehepaar Julius Hönings in Gedenken an ihren im Krieg gefallenen Sohn und übereigneten sie als Spende der Pfarrei. 1919 wurden sie endlich eingebaut, der Erzbischof gab sich geschlagen.

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