Neuss: Zwischen Bonität und Krise

Stadtrat: CDU und FDP sowie Zentrum/UWG verabschieden den Haushalt 2010.

Neuss. Das Ergebnis war zu erwarten. Mit den Stimmen von CDU und FDP verabschiedete der Rat Freitag den Haushalt für das Jahr 2010. Zustimmung gab es auch von der Fraktion Zentrum/UWG. Die Politiker nutzten die Diskussion zur Generaldebatte, die auch vom Landtagswahlkampf nicht unberührt blieb.

Für die Christdemokraten versuchte Fraktionschef Karl-Heinz Baum den Spagat zwischen dem Hinweis auf die Bonität der Stadt ("Neuss geht es gut") und der These, Neuss stehe vor Herausforderungen, deren Bewältigung existentiell sei. Baum nannte wegbrechende Steuereinnahmen und steigende Sozialausgaben. Und er verteidigte die von CDU und FDP geforderten Einsparungen im Jugend- und Sozialbereich: Die hatte die Koalition vorgebracht, nachdem in großer Einmütigkeit die deutlich weitergehenden Vorschläge der Verwaltung zurückgewiesen worden waren. In einem Punkt mochte der CDU-Fraktionschef den Erwartungen der Verwaltung nicht folgen und schloss sich damit der IHK an. Die erwarteten Steuererträge, so Baum, würden wohl nicht eintreffen: Ein Punkt, den auch die Opposition kritisch herausgriff.

Zunächst sarkastisch, dann ernst nahm SPD-Fraktionsvorsitzender Reiner Breuer sich den Haushalt und die Politik der ihn tragenden Fraktionen vor. Er bemühte den Westerwelle-Spruch von der spätrömischen Dekadenz und fand eine Verbindung zu Neuss-Novaesium. Das bezog er auf hohe Kosten etwa für den Festlichen Abend und intransparente Zahlungen fürs Bürger-Schützenfest, auf Millioneninvestionen an der Rennbahn und Verarmung der Unterschichten. Der Haushalt, so Breuer, sei "marode und chronisch unterfinanziert". Vor allem die Kürzungen im Jugendbereich sind der SPD ein Dorn im Auge. Damit werde "das Totenglöckchen für die soziale Großstadt geläutet."

Ähnlich die Grünen, die besagte Dekadenz auf "unausgewogene und fahrlässige Politik" schwarz-gelber Regierungen in Bund, Land und Stadt bezogen. In einer ebenso prägnanten wie differenzierten Haushaltsrede prangerte auch Michael Klinkicht die von CDU und FDP geforderten Kürzungen im Jugendbereich an. In Frage gestellt würde damit zum Beispiel die Arbeit der Streetworker, im Drei-Generationen-Haus oder bei der Berufsförderung, so Klinkicht: "Sozialer Friede ist nicht einfach gegeben, er ist hart erarbeitet." Energisch wandte er sich gegen Pläne, in großem Stil neue Bauflächen für Wohnen auszuweisen. Neben vielen Kritikpunkten stellte Klinkicht aber auch klar: "Neuss steht besser da als viele anderen Kommunen." Noch gebe es Gestaltungsräume, die die Grünen allerdings anders ausgebaut und genutzt hätten - etwa durch den Verkauf der RWE-Aktien statt Kürzungen im Sozialetat.

Achim Rohde überraschte mit seiner Haushaltsrede den gesamten Rat. "Wir schätzen Herrn Baum", begann er mit Bezug auf die Rede des Partners, "wir schätzen Neuss, wir sagen ja zum Haushalt." Und das war’s.

Für die Linke begründete Bernhard Pickert-Goldenbogen die Ablehnung des Etats. Reinhart Josef Wendt (Zentrum/UWG) betonte abschließend zwar, angesichts des Haushalts könne einem angst und bange werden. Er schlug die Einführung von Kommunalobligationen vor. Trotz aller Bedenken stimme seine Fraktion dem Etat zu.

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