Walther Pelzer aus Neuss Der Raumfahrt-Chef aus Neuss

Neuss/Bonn. · Der Neusser Walther Pelzer koordiniert als Leiter der Deutschen Raumfahrtagentur hochspannende Projekte.

 Unendliche Weiten: Walther Pelzer ist – kurz gesagt – zuständig für alles, was sich außerhalb dieses Planeten abspielt.

Unendliche Weiten: Walther Pelzer ist – kurz gesagt – zuständig für alles, was sich außerhalb dieses Planeten abspielt.

Foto: Pixabay

Wenn Fahrzeuge am Haus von Walther Pelzer vorbeifahren, kann es sein, dass sie für einige Sekunden stehen bleiben oder nochmal zurücksetzen, weil die Insassen ihren Augen nicht trauen. Der Grund: Eine riesige Spiderman-Figur klettert die Außenfassade über der Garage hinauf. Nicht selten hängen Kinder staunend an der Autoscheibe. Die Geschichte hinter dem ungewohnten Haus-Schmuck ist so simpel wie einleuchtend: „Ich fand die weiße Wand einfach langweilig“, sagt Pelzer schmunzelnd, der sich bei den „Flossi“-Figuren im Düsseldorfer Medienhafen hat inspirieren lassen.

Mit Superhelden hat Pelzer sonst wenig zu tun. Auch wenn seine berufliche Aufgabe durchaus weltrettenden Charakter hat. „Das Leben auf der Erde besser zu machen, ist das oberste Ziel“, sagt der 53-Jährige. Was nur wenige in Neuss wissen: In „ihrer“ Stadt lebt der Leiter der Deutschen Raumfahrtagentur – dem deutschen Pendant der NASA. Seit dem 1. Januar 2018 ist Pelzer Vorstandsmitglied des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bonn und kurzgesagt zuständig für alles, was sich außerhalb dieses Planeten abspielt.

Wenn Pelzer von seinen Mitarbeitern schwärmt, spricht er von „Überzeugungstätern“. Immer an der Grenze des technologisch machbaren planen. Immer einen Schritt voraus sein – mit einem jährlichen Budget von 1,4 Milliarden Euro. Klingt viel, ist im internationalen Vergleich aber relativ schmal. Pelzer hat es zur Chefsache erklärt, mehr Transparenz zu schaffen – dem Steuerzahler intensiver zu verdeutlichen, warum Steuergelder in diesen Bereich fließen. Schließlich könnte die Regierung die 1,4 Milliarden Euro auch zusätzlich in Kitas, Schulen oder die Ausstattung der Polizei investieren. „Ohne die Raumfahrt würden wir jedoch 50 bis 60 Jahre zurückgeworfen“, sagt der Vater von zwei Söhnen, der vor seiner Zeit beim DLR unter anderem für die Automobilzulieferer-Industrie in Österreich und den USA tätig war.

Pelzer könnte Abende füllen, wenn es darum geht zu erklären, welchen Stellenwert technologische Entwicklungen der Raumfahrt für die Erdbevölkerung haben: Angefangen beim simplen Akkuschrauber bis hin zu Hyperspektral-Satelliten, mit deren Hilfe Ernte-Ergebnisse prognostiziert werden können. „Landwirtschaft ist ohnehin ein Riesenthema für uns“, sagt Pelzer und nennt in dem Zusammenhang Traktoren-Roboter, die per Navigationssystem exakt mitgeteilt bekommen, wie sie optimal fahren, um die Boden-Erosion so minimal wie möglich zu halten – oder die per Copernicus-Satellit dargestellt bekommen, wo gewässert oder gedüngt werden muss. Stichwort Ressourcenschonung!

Der Kampf mit dem Unvorhersehbaren gehört dazu

Hochaktuell ist zudem die sogenannte E-Nose, eine elektronische Nase, die die Zusammensetzung des Atemgases von Astronauten analysiert. Aktuell werde erforscht, wie man diese Technik nutzen kann, um anhand des Atemgases von Patienten festzustellen, ob jemand mit Covid-19 infiziert ist. Auch beim Katastrophenschutz könne die Raumfahrt wertvolle Hilfestellungen geben. Etwa, wenn Rettungskräfte nach Überschwemmungen, Großbränden oder Erdbeben mit hochauflösenden Aufnahmen aus dem Weltall versorgt werden, die einen wertvollen Überblick liefern und so zielgenaues Handeln ermöglichen. Die klare Agenda des deutschen Raumfahrtprogramms laute: Lebensverbesserung und keine Machtpolitik!

Wenn Pelzer über die aktuellen Projekte seiner Mannschaft spricht, dann klingt vieles für das Laien-Ohr nach Science-Fiction. Da gibt es zum Beispiel den deutsch-französischen Kleinsatelliten „Merlin“, der 2024 starten und das aggressive Treibhausgas Methan in der Erdatmosphäre beobachten soll. Wichtige Erkenntnisse beim Thema Klimaschutz versprechen sich die Experten davon. Ein weiteres Mammutprojekt, in das Pelzer und Co. involviert sind, ist der Start der „Ariane 6“. Ein Programm der Europäischen Weltraumorganisation ESA, mit dem unter anderem der unabhängige Zugang zum Weltraum – basierend auf europäischer Technik – gewahrt werden soll. 2021 soll der Nachfolger der „Ariane 5“ bereit sein.

Der Kampf mit dem Unvorhersehbaren gehört jedoch immer dazu. Schließlich werden für Missionen, die erst in Jahren stattfinden, Technologien einkalkuliert, die zum Zeitpunkt der Planung noch gar nicht zur Verfügung stehen. „Wir wollen eben kein Museum nach oben schicken. Das würde uns nicht weiterbringen“, sagt Pelzer schmunzelnd. Doch geht es um die Stadt Neuss, die nach Aachen, wo er aufwuchs, seine zweite Heimat ist, dann wird der Mann, dessen Aufgaben und Projekte meist tausende Kilometer über der Erde stattfinden, ganz bodenständig.

Über den Tennisverein Schwarz-Weiß Neuss erhielt er nach seinem Umzug in die Quirinusstadt vor mehr als zehn Jahren auch den Zugang ins Schützenwesen. Zuerst war er skeptisch, hatte mit Brauchtum keinerlei Berührungspunkte, doch sein Tennispartner Ralf Albrecht wurde auch sein Oberleutnant beim „Bremszug“, als er nach seinem ersten Schützenfest sofort begeistert war: „Für mich ist es ein kommunal organisiertes Klassentreffen. Menschen, deren Lebenswege unterschiedliche Abzweigungen genommen haben, kommen dort wieder zusammen.“

Und wenn man genau hinschaut, dann findet man auch eine kleine Verbindung zwischen dem Neusser Brauchtum und Pelzers Beruf: Denn in seinem Büro in Bonn hängt ein Bild der Neusser Werbe-Agentur „Blue Moon“. Darauf zu sehen: Ein Astronaut, der die Fahne des Neusser Bürger-Schützenfestes auf dem Mond platziert hat. Dorthin würde es selbst Spiderman nicht schaffen.

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