Werbestreit zwischen Neuss und Gladbach Corona-Krise: Kliniken kämpfen um Pflegekräfte

Neuss. · Offensives Werben der Gladbacher Maria-Hilf-Kliniken um Neusser Pfleger sorgt für Unmut.

 Auch in Neuss bereiten sich die Kliniken auf die Zunahme von Corona-Patienten vor.

Auch in Neuss bereiten sich die Kliniken auf die Zunahme von Corona-Patienten vor.

Foto: dpa/Marijan Murat

Eigentlich haben Kliniken in der Corona-Krise keine Kapazitäten, um sich mit Nebenkriegs-Schauplätzen zu beschäftigen. Doch eine Werbekampagne sorgt bei den Verantwortlichen des Neusser Rheinland-Klinikums jetzt für so viel Unmut, dass sie öffentlich scharfe Kritik äußerten. Der Vorwurf bei Facebook: Ein Krankenhaus versuche gezielt, Pflegekräfte aus Neuss abzuwerben. „Und das in der Corona-Krise. Kein Kommentar“, schreibt das Rheinland-Klinikum.

Die Verantwortlichen aus Neuss nennen zwar nicht den Namen des Krankenhauses, das sie kritisieren, doch Online-Recherchen haben ergeben, dass es sich um eine Werbekampagne der Kliniken Maria Hilf aus Mönchengladbach handelt. So erscheint in einem Video, in dem ein Gladbacher Pfleger zu Wort kommt, der Satz: „Von Neuss nach Mönchengladbach nur ein Katzensprung, für Pflegefachkräfte vielleicht ein Quantensprung!“ Für das Rheinland-Klinkum ist das ein eindeutiger Abwerbe-Versuch: „So einen Hinweis an unsere Pflegekräfte finden wir einfach nur peinlich.“

Hans-Jürgen Petrauschke, stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates des Rheinland Klinikums, findet deutlich Worte für die Werbekampagne: „Gerade in der aktuelle Situation ist das eine Unverschämtheit.“ Die Kliniken Maria Hilf wollten sich am Montag nicht zu den Vorwürfen äußern.

Viel Zeit, sich zu ärgern, haben die Neusser Krankenhäuser nicht. Denn momentan bereitet man sich auf einen Gegner vor, dessen Größe noch schwer abzuschätzen ist, wie Jörg Kurmann, Pflegedienstleiter des Johanna-Etienne-Krankenhauses, betont: „Wir wissen noch nicht, was auf uns zukommt. Wir tun unser Bestes, die derzeitige Informationsflut zu verarbeiten, um unsere Mitarbeiter auf dem Laufenden zu halten.“

Um personell gewappnet zu sein, habe man bereits begonnen, Pfleger zu kontaktieren, die mittlerweile in Rente sind. Auch Pfleger in Elternzeit habe man angesprochen sowie Personen, die zwar über eine abgeschlossene Ausbildung in der Pflege verfügen, sich dann aber für einen anderen Berufsweg entschieden haben.

Auch Andrea Albrecht, Pflegedienstleiterin im Lukaskrankenhaus, bezeichnet die derzeitige Phase als „Ruhe vor dem Sturm“. Man habe einige Bereiche geschlossen und Mitarbeiter „umverteilt“, um personell auf einen möglichen Anstieg von Corona-Infizierungen vorbereitet zu sei. Momentan pflege man im „Lukas“ laut Albrecht „eine Handvoll“ Covid-Patienten. Einige Mitarbeiter hätten auf ihren Urlaub verzichtet. Wenngleich die personelle Situation relativ entspannt ist, machen sich Sorgenfalten breit, wenn es um die Schutz-Ausrüstung geht. Das Problem: Der jetzige Bestand – vor allem an Schutzkitteln und -masken – reiche noch für rund drei Wochen. „Die meisten Anbieter können aber erst wieder ab Mai oder Juni liefern“, so Albrecht. Desinfektionsmittel produziere die hauseigene Apotheke selber. In der Not müssen kreative Lösungen her: Darum schließt Albrecht nicht aus, dass man in Zukunft auf selbstgenähte Schutzmasken zurückgreift – eine entsprechende Anleitung wurde kürzlich von der Universität Essen ins Internet gestellt.

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