Neuss: Ökumenische Notfallseelsorge - Sie bleiben, wenn die Polizei abzieht

Ehrenamt: Die Ökumenische Notfallseelsorge feiert ihr zehnjähriges Bestehen.

Neuss. Richtig zur Ruhe kommen die Mitarbeiter der Ökumenischen Notfallseelsorge nie. Selbst am Tag der Feier piept der Alarm. Die Helfer schauen auf ihre Pager. Nein, die Nummer 961 - sie steht für den seelsorgerischen Einsatz - leuchtet nicht auf, es kann weitergehen.

Zehn Jahre alt wird die Notfallseelsorge in diesem Jahr, zehn Jahre, in denen der Dienst an keinem Tag, in keiner Minute unbesetzt blieb. Darauf sind das Team und Pfarrer Jochen Koenig stolz: "Eine Organisation wie bei uns gibt es in kaum einer anderen Stadt."

Das DRK stellt den Notfallseelsorgern die Fahrer. Das erleichtere die Arbeit sehr, sagt Pfarrer Koenig. Dem Seelsorger bliebe so Zeit, sich vor der schwierigen Aufgabe zu sammeln, der Fahrer wiederum könne den Seelsorger zudem am Unfallort unterstützen.

Beispiel Hausbesuch. Stirbt der Ehemann und bleibt die Frau allein zurück, benachrichtigen die Einsatzkräfte die Notfallseelsorge. Der Seelsorger spricht mit der Angehörigen, der Fahrer räumt auf, versucht Verwandte übers Telefon zu erreichen oder bittet das Bestattungsinstitut, noch vor der Tür zu warten, bis die Frau sich von dem Verstorbenen verabschieden konnte.

Nicht selten unterstützen die Notfallseelsorger die Polizei auch, wenn diese eine Todesnachricht überbringen muss. "Es kommt vor, dass wir, bevor wir die Familie aufsuchen, erst mit den Polizisten sprechen. Sie haben den Unfall ja selbst gesehen und sind oft sehr aufgewühlt", sagt Pfarrerin Angelika Ludwig.

Und auch Ludwig können die Einsätze belasten. Wenn sie gerufen wird, streift sie die gelbe Jacke der Seelsorger über - aus Selbstschutz. Die Jacke signalisiert: "Jetzt bin ich im Einsatz und nicht aus privaten Gründen hier." Manchmal brauche eben auch der Notfallseelsorger Beistand. Zum Beispiel wenn ein Kind stirbt. "Das kann tiefe Rillen in die Seele brennen", beschreibt es Ludwig. "Aber wir sind ein gutes Team. Wir tauschen uns aus und sagen auch: Ich glaub, du brauchst eine Pause."

Längst umfasst das Einsatzgebiet der Notfallseelsorge den ganzen Rhein-Kreis Neuss. 193 000 Kilometer zeigt der Tacho des sechs Jahre alten Einsatzwagens. Im Kofferraum liegen liturgisches Material, aber auch Babywindeln oder Spielsachen. Und auf der Rückbank sitzt Theo.

Er springt immer dann ein, wenn selbst die Notfallseelsorger nicht weiterwissen. Blockt ein Kind ab, sprechen die Helfer über die Handpuppe mit ihm. "Das funktioniert fast immer", sagt Susanne Welter, Leiterin Arbeitskreis Fahrer. Sie erinnert sich an eine Situation, als die Mutter eines kleinen Jungen auf der Straße zusammengebrochen war. "Mit uns wollte der Junge nicht sprechen - mit Theo schon."

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