Gedenkstunde an der ehemaligen Synagoge in Neuss Schülerinnen arbeiten jüdische Schicksale auf

Neuss · Abiturientinnen erinnern bei Gedenkfeier an fünf ehemalige Marienbergerinnen.

. Vor 86 Jahren hat Lore Levy die gleiche Schule besucht, auf die Sina Heiser und Mara Struß heute gehen. 1933 musste das jüdische Mädchen das Marienberg-Gymnasium als 14-Jährige verlassen, weil die Nationalsozialisten Juden überall in Deutschland aus dem gesellschaftlichen Leben verdrängten. „Dass Lore und die anderen Mädchen vielleicht auf den gleichen Stühlen gesessen haben wie wir heute, hat mich sehr bewegt“, sagt die 18-jährige Sina Heiser. Gemeinsam mit 13 Mitschülerinnen aus dem  Grundkurs Geschichte hat sie im Stadtarchiv das Leben von fünf jüdischen Mädchen erforscht, die zur NS-Zeit Schülerinnen an ihrer Schule waren. Am Freitag, bei der Gedenkfeier zum 81. Jahrestag der „Reichspogromnacht“, erinnerten sie an deren Schicksal.

Die Geschwister Lotte, Ilse und Ruth Joseph, deren Vater das Kaufhaus Alsberg an der Niederstraße betrieb, wurden wie die gesamte Familie in Ausschwitz ermordet. Lore Stein wohnte auf der Büttger Straße und ist 1942 im Ghetto Lodz umgekommen. „Lore Levy war die einzige der fünf, die den Nationalsozialismus überlebt hat. Sie wurde in den gleichen Räumen unterrichtet wie wir, als sich ihr Leben plötzlich veränderte“, berichtete Sina Heiser. Lore Levy starb 2002 in Argentinien.

„Das Grauen ist an dieser historischen Stätte immer noch spürbar“, sage Bürgermeister Reiner Breuer am Standort der ehemaligen Synagoge im Beisein von Vertretern der Jüdischen Gemeinde und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. An die Nacht vom 9.  November 1938, in der auch in Neuss die Synagoge brannte, erinnern Steintafeln mit den Namen der 204 deportierten und ermordeten Neusser Juden. Es gelte, so Breuer, „die Zukunft in Verantwortung vor der Vergangenheit zu gestalten“, auch angesichts des zunehmend um sich greifenden Antisemitismus.

Auch die Mariebergerinnen haben sich mit der heutigen Situation der Juden in Deutschland im Gespräch mit Bert Römgens von der jüdischen Gemeinde auseinandergesetzt. Um allen Marienbergerinnen das Leben der Juden damals und heute näher zu bringen, planen sie jetzt eine Schulausstellung.

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