Neuss: Legenden ranken sich ums Gotteshaus

Vor 375 Jahren wurde die St.Antonius Kapelle erbaut.

Neuss. "Außer Rückstücken nichts gewesen" - mit diesen Worten, so will es die Legende, erstattete ein Prälat aus Köln um 1900 Bericht von der Wallfahrtskapelle St. Antonius in Schlicherum. Mit Rückstücken sind die Schläge gemeint, die der Prälat einsteckte, als er sich in einem unbeobachteten Moment an den gespendeten Wurstvorräten gütlich tat. "In einem großen Holzbottich spendeten die Bauern Wurst und Speck für bedürftige Christen", erzählt Simon Kolbecher. "Als der Diebstahl des Prälats entdeckt wurde, setzte es was."

Es ist nicht die einzige Geschichte, die sich von der kleinen Wallfahrtskapelle in Schlicherum erzählen lässt. In den 375 Jahren ihres Bestehens hat sich manches Anekdötchen rund um die Kapelle zugetragen. So gilt beispielsweise noch heute in vielen Familien der Grundsatz: Wenn das Glöckchen um 18 Uhr bimmelt, ist es für die Kinder Zeit, nach Hause zu kommen. "Diese Kapelle ist ein wirkliches Kleinod für Schlicherum", sagt Kolbecher. In seiner Freizeit hat sich der pensionierte Lehrer mit der Geschichte des kleinen Gotteshauses beschäftigt. "Erbaut wurde es um 1635 von Hieronymus Isenberg, dem für Rosellen zuständigen Pfarrer. Er lebte in Schlicherum und war es vermutlich leid, ständig die Wegstrecke nach Rosellen zurückzulegen", sagt Kolbecher.

Eine andere Vermutung hegt er im Hinblick auf den Standort der Kapelle, "wahrscheinlich stand dort vorher eine Art Bilderstock, der Maria geweiht war". Die neue Kapelle wurde dem heiligen Antonius dem Einsiedler geweiht. Er galt als Patron der Haustiere und versprach Hilfe bei Krankheiten. "Als der Pfarrer die Kapelle baute, litten viele Bauern unter der Schweinepest, die die Tiere dahinraffte", erzählt Kolbecher. "In ihrer Not baten sie den heiligen Antonius um Hilfe." Vor allem zum Namenstag des Patrons am 17. Januar pilgerten die Bauern zur Kapelle, um für ihre Tiere zu bitten.

Keine Legende, sondern tatsächlich bestätigt ist der fünf Millimeter dicke Draht und die 56er Mutter, die über viele Jahre den Schlegel an der kleinen Glocke der Kapelle ersetzte. Erst als sich dieses Provisorium im Jahr 1986 verhakte, entdeckten die Schlicherumer, was da in den letzten Jahren gebimmelt hatte. Noch im gleichen Jahr wurde ein von Peter Multhaupt gespendeter neuer Schlegel eingesetzt. Unter dem Motto "Unsere Kirche hat einen neuen Bömmel" feierten die Schlicherumer ihr erstes Bömmelfest. Als sich dort gleich mehrere Dorfbewohner bereit erklärten, künftig für die Kapelle zu sorgen, war der Bömmelclub aus der Taufe gehoben. Im nächsten Jahr feiert er sein 25-jähriges Bestehen.

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