Klima-Aussichten in Neuss Vortrag liefert Ideen für den Alltag

Neuss · Die Folgen des Klimawandels sind vor Ort spürbar, daher appellierte Nick Reimer auch dafür vor Ort anzufangen.

(tebo) An der Sebastianusstraße in Neuss sorgt bereits ein zeitlich und örtlich begrenzter „Autofrei“-Versuch für hitzige Diskussionen. Aus Sicht des Klimaexperten und Buchautoren Nick Reimer, der jetzt im Zuge der „Woche der Nachhaltigkeit“ in der Volkshochschule über die klimatischen Veränderungen bis Mitte des Jahrhunderts sprach, könnte das erst der Anfang sein. Der Experte kann sich nämlich vorstellen, dass das Autofahren in Städten komplett verboten wird.

Äpfel aus Übersee sorgen für einen erhöhten CO2-Ausstoß

Bei seinem Vortrag stellte Reimer klar: Der Klimawandel lässt sich nicht mehr verhindern, allerdings will Reimer nicht kapitulieren. Eine Abkehr von fossiler Energie aus Kohle sei für ihn unumgänglich und müsse schnell umgesetzt werden. Im Klimaschutz müssten die Schritte viel konsequenter erfolgen, um einen spürbaren Effekt zu erzielen. Eine Energie- und Verkehrswende müsse vorangetrieben werden.

Er setzt auch vor der Haustür an, die abgestorbenen Fichtenwälder und die extremen Sommer wie Winter brächten die kollektiven Erfahrungen in der Region an ihre Grenzen. Klimamodelle ließen sich von den Experten berechnen, aber welche Bäume das veränderte Wetter gut vertragen, oder welches Gemüse in der Region demnächst gut gedeiht, müsse erst wieder herausgefunden werden. „Hier gehen uns wichtige Erfahrungswerte verloren“, stellt Reimer fest. Dabei appellierte er an die die Besucher: Einfach machen! Die Menschen sollten sich darüber klar werden, was ihre Interessen sind und entsprechend handeln. Es brauche einen Diskurs, der die Interessen der Menschen in den Mittelpunkt stellt, nicht der Wirtschaft. Das fange bei der Solaranlage auf dem Dach an, die nicht selbst finanziert sein muss: „Es gibt auch die Möglichkeit, sich genossenschaftlich zusammen zu schließen und ein Projekt zu realisieren“, erklärt Reimer.

Auch der Apfel aus Übersee sorge für einen höheren CO2-Ausstoß, ebenso wie die tägliche Pendelfahrt zum Job. „Wir werden unser Leben verändern müssen“, sagt Reimer. In Deutschland würden sich die Menschen zu wenig organisieren. Sein Tipp: Sich direkt an den Abgeordneten im Heimatwahlkreis wenden und die Anliegen, die angepackt werden sollen, benennen: „Bilden Sie Bande und treten Sie für Ihre Ziele ein.“ So kämen bei der Politik die Wünsche der Wähler an und nicht nur die der Wirtschaft, die gute Kontakte unterhält.

Andere Länder blicken auf das Verhalten in den Industrieländern

Angesprochen auf das häufig genutzte Argument, Deutschland allein könne das Klima nicht retten, führte der Experte an, dass in Deutschland zwar nur zwei Prozent des CO2-Ausstoßes erfolgen, „wir aber auch nur ein Prozent der Weltbevölkerung stellen“. Das Problem sei vielmehr, dass andere Länder auf die Industrienationen blicken und den Wohlstand auch erreichen wollen. Da ließe sich schwer erklären, warum auf Autoverkehr fürs Klima besser verzichtet werden sollte, während hierzulande auf zwei Einwohner ein Pkw kommt. Er schlägt in der Diskussion zum Beispiel eine Art CO2-Guthabenkarte vor: Ist das eigene Kontingent erschöpft, muss etwa CO2-neutral gelebt werden, oder von sparsameren Menschen etwas abgekauft werden. Nach rund eineinhalb Stunden faktenreichem Vortrag zum Klimawandel, der in vielen Bereichen des Lebens Veränderungen mit sich bringt, verließen die rund 40 Zuhörer den Raum zum Teil mit einem mulmigen Gefühl, ob der aufgezeigten Folgen, aber auch mit Mut, mit kleinen Schritten eine Veränderung anregen zu können.

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