Neuss: Die Krippe – auch zum Osterfest

Nicht nur zur Weihnachtszeit: Krippen stellten Szenen des ganzen Kirchenjahrs dar.

Neuss. Die Krippenspiele sind fester Bestandteil in fast jeder Gemeinde, Krippen werden in Kirche und zu Hause aufgestellt. Weihnachtskrippen, natürlich.

Doch diese Konzentration auf ein kirchliches Fest ist eine Entwicklung der Neuzeit. Früher wurde das gesamte Kirchenjahr in Krippenform dargestellt - auch in Neuss. Im Clemens-Sels-Museum ist eine prächtige Osterkrippe, genauer Fasten- oder Passionskrippe, zu sehen.

Der Begriff Krippe hatte sich von der Bezeichnung für die Krippe selbst zur kirchlichen "Inszenierung" weiterentwickelt. Im Mittelalter hatten sich aus den Wechselgesängen der Kleriker die Laienschauspiele entwickelt, die immer größer, immer prächtiger wurden, bis die Kirche dem ein Ende machte. Figuren ersetzten die Schauspieler.

Auch das bezog sich nicht nur auf das Weihnachtsfest. So wurde am Palmsonntag in Köln Jesus auf einem Esel um die Kirche geführt, in Kleve oder Kalkar wurden Christusfiguren während des Gottesdienstes "in den Himmel" gezogen.

Später entstanden die kleinen Krippen für den Hausgebrauch, mit Szenen aus dem Alten wie dem Neuen Testament. So ist im Clemens-Sels-Museum die Hochzeit von Kanaan zu sehen: plastische Figuren, im Halbkreis gruppiert.

Und dann die eigentliche Passionskrippe, entstanden um 1800. Volkskundler Thomas Ludewig bezeichnet sie als "faule Krippe", ist sie doch in einem Kasten fest montiert, mit einer Glasscheibe geschützt. Palmen und Türme sollen orientalisches Flair vermitteln, nur die Backsteine passen nicht ganz ins Bild.

Die Darstellung beginnt mit dem Garten Gethsemane. "Lasse den Kelch an mir vorübergehen...". Nein, ein Engel bringt den Kelch - eine Szene, wie sie in den Evangelien nicht berichtet wird. Dann die Festnahme, Pontius Pilatus ist zu sehen, wie er seine Hände in Unschuld wäscht, Christus nimmt das Kreuz auf, stürzt - wieder die Darstellung aus einem apokryphen Text - und schließlich eine knieende Frau, Veronica.

Diese Figur wird erst im Mittelalter geprägt, sie dient der Legende um das heilige Grabtuch von Turin, Die Kreuzigungsszene zeigt auch die Schächer, auf die Kreuzabnahme aber verzichtet der unbekannte Künstler.

Am Ende der Passionsgeschichte liegt Jesus in seinem Felsengrab auf der Seite, nicht umhüllt, sondern wie schlafend auf den Tüchern. Eine Szene der Auferstehung fehlt, warum, ist unbekannt. Vielleicht reichte schlichtweg der Platz nicht aus. Thomas Ludewig spricht deshalb auch nicht von der Oster-, sondern von einer Fasten- oder Passionskrippe.

Seit langem sind die österlichen Krippen aus dem Alltag verschwunden. Doch der Volkskundler macht Anfänge einer gegenteiligen Entwicklung aus.

So lädt etwa eine Kolpingsfamilie im Erzbistum Münster zu einer Osterkrippe mit lebensgroßen Figuren, ermuntert die Evangelische Kirche im Rheinland Eltern, mit ihren Kindern österliche Szenen aus Legosteinen oder Playmobilfiguren zu bauen, sind plötzlich Bastelbogen für die Kreuzigungsszene im Handel. In Kindergärten werden die ersten Osterkrippen gebastelt. Und auch im Verkauf sind die nicht-weihnachtlichen Krippen wieder zu erstehen.

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