Kreisgruppe Neuss Die Pommersche Landsmannschaft gibt auf

Neuss. · Die Kreisgruppe hat in den vergangenen Jahren die Hälfte ihrer Mitglieder verloren. Am 31. März ist Schluss.

 Für Klaus Fleischmann – hier in der Heimatstube – war das Engagement für die Landsmannschaft stets eine Herzensangelegenheit.

Für Klaus Fleischmann – hier in der Heimatstube – war das Engagement für die Landsmannschaft stets eine Herzensangelegenheit.

Foto: Andreas Woitschützke

Mitte der 90er-Jahre organisierte Klaus Fleischmann, damals Lehrer am Quirinus-Gymnasium, einen deutsch-polnischen Austausch. Im Rahmen einer Geschichts-AG machte er sich mit einer Gruppe von Oberstufenschülern auf den Weg nach Nowogard (Naugard). Die Jugendlichen aus Ost und West fanden schnell einen Draht zueinander. Auch deswegen, weil die jungen Polinnen und Polen sehr gut Deutsch und Englisch sprachen. Unzählige Gespräche, gemeinsame Ausflüge – und natürlich auch verschiedene Partys – sollten die Reise für alle Teilnehmer unvergesslich machen.

Für Klaus Fleischmann, inzwischen im Ruhestand, war es eine Herzensangelegenheit aufgrund seiner persönlicher Erfahrung: Das historische Pommern, in dem Nowogard liegt, war die Heimat seiner Familie. Er selbst habe als Kind „bewusst meine Vertreibung mit meiner Mutter und meinen Geschwistern aus Pommern miterlebt“.

Diese Erinnerungen sollten ihn nicht mehr loslassen, sie wurden für ihn sogar zu einem Lebensthema. Er befasste sich in seinem Geschichtsstudium intensiv mit der Materie und engagierte sich in der Pommerschen Landsmannschaft in Neuss.

Im Laufe der Zeit sei es ihnen gelungen, Erfolg zu haben und Fuß zu fassen. „Sie wurden als gleichberechtigte Bürger anerkannt und geschätzt. Sie hatten ihren neuen Nachbarn nicht auf der ,Tasche gelegen’, sondern waren ihren eigenen Weg gegangen, wie sie es in ihrer Heimat immer getan hatten. Und sie schufen eine eigene Organisation vor Ort.“

70-Jahr-Feier am 22. März
ist die letzte Veranstaltung

In den Jahren 1946/47 wurde eine Dachorganisation für die Landsmannschaften der Pommern, Schlesier, Ostpreußen und Sudetendeutschen für die Stadt und den Kreis Neuss als „Kreisvereinigung der Ostvertriebenen“ gegründet. Am 8. Oktober 1950 wurde die „Pommersche Landsmannschaft, Kreisgruppe Neuss“ ins Leben gerufen. Sie feiert also in diesem Jahr ihr 70-jähriges Bestehen.

Übers Jahr trafen sich die Mitglieder unter anderem zum „Pommerntreff“ in der „Ostdeutschen Heimatstube Neuss“ an der Oberstraße, zum „Tag der Heimat“ mit Kranzniederlegung am „Ostdeutschen Gedenkstein“ sowie zum Ökumenischen Gottesdienst im Quirinus-Münster. Mundart und Brauchtum wurden gepflegt.

In den vergangenen Jahren allerdings hatte die Kreisgruppe mit einem dramatischen Mitgliederschwund zu kämpfen: von rund 120 Beitragszahlern ist mittlerweile nur noch die Hälfte übrig geblieben. Deswegen hat der Verein um seinen Vorsitzenden Manfred Duisberg die Entscheidung getroffen, sich zum 31. März dieses Jahres aufzulösen. Die 70-Jahr-Feier, die am Sonntag, 22. März, im Neusser Marienhaus stattfindet, wird die letzte Veranstaltung sein.

„Der Hauptgrund für die Auflösung der Landsmannschaft ist einerseits die Altersstruktur der Mitglieder, andererseits der Verlust der Jugend als die Weiterträger der Erinnerung an die alte Heimat“, erklärt Klaus Fleischmann, der in den letzten Tagen der Gruppe als Sprecher fungiert. Die „Alten“ hätten keine Kraft mehr.

Das mangelnde Interesse der nächsten Generationen, die ja im Rheinland geboren wurden und Pommern nur durch Erzählungen und allenfalls Kurzreisen kennen, wird offenbar nicht positiv interpretiert. Im Gegenteil: Unüberhörbar klingt Bitterkeit durch. Die organisierten Pommern sehen laut Fleischmann einen „Verlust des historischen Bewusstseins im Hinblick auf die große Geschichte des deutschen Ostens in der deutschen und europäischen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts“. Die Mitglieder seien sich durchaus bewusst, dass ihre Zeit als Pommern in einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten und von gleichem Schicksal zu Ende gehe. „Sie wissen auch, dass es ihnen nicht gelungen ist, die Jugend für ihr Schicksal, ihre Herkunft und ihre Geschichte zu interessieren. Das tut ihnen weh und macht sie traurig“, erklärt Fleischmann.

Die nun bald ehemaligen Mitglieder könnten, wenn sie dies denn wollten, allerdings in die anderen Landsmannschaften, zum Beispiel die schlesische oder die ostpreußische, eintreten und sich dort engagieren.

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