Neuss: Bäder, Nacktscanner und Gyros

Ein Auftakt nach Maß: Das Publikum bewunderte am Samstagabend 95 Großfackeln, die durch das nächtliche Neuss zogen.

Neuss. Als fast pünktlich gegen 20.50 Uhr die Sappeure de Maat eraff ziehen, hätte man am liebsten einen Glühwein getrunken. Denn auf der Tribüne war es zugig und kühl.

Die meisten Zuschauer hatten sich allerdings gut vorbereitet - sie waren in Decken und Jacken warm eingepackt. Tausende säumten am Samstagabend wieder die 3,6 Kilometer lange Zugstrecke, auch wenn diesmal nicht ganz so viele zum Neusser Fackelzug gekommen waren wie in den Vorjahren.

Während es am Nachmittag noch geschüttet hatte, blieb es am Abend aber durchweg trocken. Über 6800Schützen zogen somit wieder bester Stimmung durch das nächtliche Neuss. Auf den Transparenten wurden aktuelle Themen aufgegriffen, die in Stadt, Land und weltweit für Gesprächsstoff sorgten.

Es gab aber auch Jubiläums- und Comic-Fackeln (Shrek, Spongebob etc.). Der abendliche Umzug mit seinen 95 Großfackeln überzeugte durch eine gelungene Mischung. Mancher moserte nach dem Zug zwar, in den vergangenen Jahren habe es mehr Lokalkolorit gegeben. Aber das waren nur Einzelstimmen.

Illustriert wurde etwa die Griechenland-Hilfe: Der Fahnenzug 1960 setzte das Thema besonders kreativ mit einem Dukatenesel um, "Akropolis adieu" dichteten die Enzian-Schützen ("Athen bankrott, Euro kaputt"), und der Jägerzug Munteres Rehlein baute eine Fackel mit einem Schuldentopf: einem Riesen-Gyros.

Die Nüsser Sondermischung monierte die städtische Umweltzone, der Grenadierzug Liebe Jungens baute eine Mini-Basilika und der Schützenlust-Zug Hubertus-Hirsch hielt Bürgermeister Napp den Schuldenberg vor: "Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, bevor die Stadt Neuss ohne Schulden ist."

Viel Beifall konnten die Steinadler einheimsen, die ’ne Jägerzug darstellten und aufgereiht in einer "Bahn" durch die Neusser Straßen marschierten. Liebevoll gestaltet waren die einzelnen Laternen der Zugvögel: vom Globe-Theater über das Haus am Pegel bis hin zum Obertor - beim Schützenlustzug wurde keine Sehenswürdigkeit ausgelassen.

Humorvoll umgesetzt wurde das umstrittene Thema Nacktscanner: Bei den Läppkesspöler (hochdeutsch: Zungenbefeuchter) müssen sich die Schützen vor dem Zelt "nackisch" machen: "Det hat uns noch gefehlt, ’ne Peepshow vor dem Schützenzelt." Et kütt wie et kütt kritisierten mit ihrer Fackel die Stadtwerke-Politik: "Millionen für das Cabrio-Dach und das Stadtbad fällt jetzt flach." Auch die Rheinstrolche griffen das Motiv auf: "Sind im Rat die Moppen knapp, macht Napp die Wellen platt."

Buh-Rufe gab’s aus dem Publikum an der Hymgasse: Einige Züge drehten nämlich bereits an der Commerzbank und zogen von dort de Maat erop, so dass sie von vielen nicht gesehen wurden. Diejenigen, die die komplette Schleife marschierten, wurden dafür mit Extra-Applaus belohnt.

Mit Beifall bedacht wurden ebenso die zeitlosen Fackeln wie etwa der Lichterwagen des Grenadierzuges "Treu zum alde Nüss": Hier erobert ein kleiner Pinguin das Neusser Skiparadies.

Vier Schützenlustzüge ließen sich vom Kirmesvirus infizieren, darunter auch der Königszug "Nur so". Es versteht sich von selbst, dass Seine Majestät Joachim I. dabei die Spritze setzt.

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