Neuss: 1000 Jahre alte Sonnenuhr zeigte die Gebetsstunden im Kloster St.Quirin

Funde werden ab dem 21. Juni gezeigt.

Neuss. Andächtig streicht Steinmetz Harald Kuhn über die glatten Kalksteinoberflächen, fährt mit dem Finger die feinen Rillen nach. "Das ist saubere Handwerksarbeit auf hohem Niveau", sagt er, während er die drei Steingebilde einzeln vor sich platziert. Die Bruchstücke stammen aus dem 9. bis 10.Jahrhundert, sind bei Ausgrabungen auf dem ehemaligen Klosterareal St. Quirin in den 60er Jahren ans Tageslicht gekommen.

"Lange Zeit lagerten die Funde im Depot des Clemens-Sels-Museums. Jetzt wurden sie wissenschaftlich aufgearbeitet", erläutert Museumsarchäologe Carl Pause. Und mit der Aufarbeitung kam die Einsicht, dass die Kalksteinstücke viel zu lange ungeachtet "vor sich hin geschlummert haben".

Was Wissenschaftler zunächst für römische Bauüberreste hielten, konnte Tanja Potthoff mit ihrer Projektgruppe von der Ludwig-Maximilian-Universität München und mit Unterstützung einer Expertin für Inschriften nun als Teile einer hochmittelalterlichen Sonnenuhr identifizieren.

Im Rahmen dieses Universitätsprojekts werden die Altgrabungen von St.Quirin feinsäuberlich aufgearbeitet. 470 Kisten mit Keramik, Baudekorstücken oder Glassplittern stehen derzeit im Bonner LVR-Landesmuseum, dem Arbeitsplatz der Projektgruppe.

Der Fund der Sonnenuhr-Teile ist für die Forschungsgruppe ein besonderer Glücksfall. "Bislang sind in Europa nur drei Uhren aus dieser Zeit bekannt geworden", sagt Tanja Potthoff.

Die halbkreisförmige Sonnenuhr, die vermutlich an der Südseite des um 900 errichteten Klausurgebäudes angebracht war, ist durch Linien in zwölf gleiche Teile unterteilt. Die Abkürzungen der lateinischen Stundenangaben sind deutlich sichtbar. Bei späteren Bauarbeiten entfernte man die Sonnenuhr, zerschlug sie und arbeitete sie zu Konsolen um.

"Die Uhren in mittelalterlichen Klöstern zeigten die Gebetsstunden an", erläutert Carl Pause. "Erst die Klöster brachten die Uhr hervor, weil sie die Zeitpunkte des Betens festhalten wollten." Zeit sei dennoch relativ geblieben. "Die griechische Sonnenuhr hat beispielsweise eine ganz andere Einteilung."

“ Die von Steinmetz Harald Kuhn angefertigte Rekonstruktion der Sonnenuhr wird vom 21. Juni bis 29. August in der Ausstellung "Nonnen, Bauleute, Pilger" im Clemens-Sels-Museum, Am Obertor, zu sehen sein.

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