Günstige Wohnungen werden knapp 100 Interessenten bei Wohnungsbesichtigung in Neuss

Neuss · Bei einem Besichtigungstermin für eine Wohnung an der Liedmannstraße in Neuss bildete sich eine Warteschlange von rund 100 Leuten. Der Deutsche Mieterverein schlägt Alarm.

 Dieses Foto von der Wohnungsbesichtigung an der Liedmannstraße wurde der Redaktion zugeschickt.

Dieses Foto von der Wohnungsbesichtigung an der Liedmannstraße wurde der Redaktion zugeschickt.

Foto: NGZ

Es sind Bilder, die man bislang eigentlich nur aus Metropolen wie Berlin kannte: Eine lange, bis auf die Straße reichende Schlange von Menschen, die teilweise stundenlang warten müssen, nur um eine Wohnung zu besichtigen. Doch das Foto, das unserer Redaktion zugespielt wurde, auf dem solch eine Situation zu sehen ist, wurde nicht etwa in der Hauptstadt aufgenommen – sondern in Neuss.

Gut 100 Leute kamen jetzt zu einem Besichtigungstermin an die Liedmannstraße. 150 Anmeldungen hatte es bereits im Vorfeld für einen Blick in die schmucke Single-Wohnung gegeben, wie Andrea Marseille von der zuständigen Haus- und Grundstücksverwaltung Nikolai GmbH auf Nachfrage mitteilt. „Das war schon außergewöhnlich“, sagt sie. Aber bei der Liedmannstraße handele es sich eben um eine „gefragte Wohngegend“. Bereits im Vorfeld habe man die Interessenten über die große Nachfrage informiert und darauf hingewiesen, dass mit einer längeren Wartezeit zu rechnen ist. Rund zwei Stunden hätten die potenziellen Mieter an diesem Tag maximal warten müssen.

„Solche Bilder wundern mich nicht“, sagt Hans-Jochem Witzke, Vorsitzender des Deutschen Mieterbunds NRW, „gerade im unteren und mittleren Preissegment übersteigt die Nachfrage das Angebot häufig um ein Vielfaches, wie das Foto belegt und zum Ausdruck bringt.“ Seine Beobachtung: Die Stadt Neuss wird immer attraktiver für Zuzug von außen und nimmt mittlerweile auch viele Menschen auf, die in Düsseldorf nicht zum Zuge kommen. „Die Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen gehen immer weiter in die Fläche. Das schafft aber immer mehr Verkehr auf Straße und Schiene. Das wiederum führt dazu, dass, wer es sich irgendwie leisten kann, in den Städten wohnen will. Und prompt steigt weiter der Druck“, sagt Witzke.

Mehr öffentlich geförderter Wohnraum müsse gebaut werden

Zu befürchten sei eine zunehmende Entmischung nach Einkommensklassen. Um dem Problem entgegenzuwirken, müsse insbesondere mehr öffentlich geförderter Wohnraum gebaut werden. „Immerhin hat rund die Hälfte aller Haushalte in Neuss ebenso wie in Düsseldorf einen Anspruch auf eine Wohnberechtigung für diese Wohnungen. In Düsseldorf sind es aber nur noch rund 4,5 Prozent im preisgebundenen Segment. In Neuss kaum mehr. Tendenz sinkend“, sagt Witzke.

Heiner Kaumanns, Vorstandsvorsitzender von „Haus und Grund“, dem Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer-Verein von Stadt und Rhein-Kreis Neuss, ist ein vergleichbarer Fall in Neuss wie jenem an der Liedmannstraße bislang nicht bekannt. „Ich kenne die genauen Hintergründe nicht und könnte deshalb nur spekulieren“, so Kaumanns auf Nachfrage. Zweifelsohne gehöre die Liedmannstraße allerdings zu den begehrten Lagen in Neuss. Der Vorstandsvorsitzende sieht die Wohnungs-Situation in der Quirinusstadt relativ entspannt. „Der Markt ist ausgeglichen. Auch wenn nicht jeder die Wohnung, die zu seinem Geldbeutel passt, sofort findet.“ Allerdings herrsche beim preisgünstigen Wohnsegment tatsächlich eine gewisse Knappheit. Von einer „Wohnungsnot“ könne jedoch keine Rede sein. Aber wie sollte ich mich als Interessent überhaupt verhalten, wenn ich bei einem Besichtigungstermin mit fast 100 Mitbewerbern bin und meine Chancen erhöhen möchte? „Seriöse Tipps kann man kaum geben. Es mag Interessenten geben, die versuchen, mit Geldleistungen neben der Miete zum Zuge zu kommen und es mag Vermieter geben, die dafür empfänglich sind“, sagt Witzke.

Besonders leidtragend seien diejenigen, die noch andere „Hindernisse“ beim Wohnungs-Marktzugang haben als nur finanzielle. „Menschen mit Handicap, fremd Aussehende oder Erscheinende, manchmal auch Familien mit Kindern“, sagt Witzke.

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