Neue Lebensräume an der Erft

Die Renaturierung der Erft schreitet voran. Der Biber ist wieder heimisch geworden, die Wasserqualität hat sich verbessert.

Rhein-Kreis Neuss. 107 Kilometer ist sie lang, 29 Fischarten leben in ihr. Das Hochwasser der Erft war gefürchtet, das Wasser begehrt und besungen wurde sie auch - doch von intakter Natur konnte lange Zeit nicht gesprochen werden: An vielen Stellen wurde der Flusslauf künstlich begradigt, Auen vertrockneten und große Teile der wilden Erft-Landschaft gingen mitsamt ihren Flussschleifen und Altwasserarmen verloren.

Jetzt sollen die Sünden der Vergangenheit nach und nach repariert werden. Durch das Großprojekt "Erftumgestaltung 2045" wird der Fluss an vielen Stellen wieder in seinen natürlichen Zustand zurückgeführt.

Mit dem voraussichtlichen Ende der Braunkohleförderung soll die Umgestaltung im Jahr 2045 abgeschlossen sein. Der Rückbau erfolgt in drei Stufen und kostet 70 Millionen Euro. 2004 erstellte der Erftverband einen Masterplan. Vor zwei Jahren starteten erste Pilotprojekte, einzelne Erfolge sind schon messbar.

Doch nicht nur die Renaturierung wird vom Erftverband weiter vorangetrieben. Bei der Präsentation des Jahresberichts 2009 stellte Vorstand Wulf Lindner im Kaarster Klärwerk weitere Projekte vor.

Im 150.Jahr seines Bestehens blicke der Verband auf ein "normales" Jahr zurück. Erfreulich sei, dass sich die Wasserqualität weiter verbessert habe. "Die Güte der Erft ist sehr gut", konstatiert Lindner, trinken sollte man das Wasser aber nicht.

Schöner Nebeneffekt: Typische sanduhrförmige Nagespuren belegen, dass der Biber an die Erft zurückgekehrt ist. Ein Weibchen wurde zwar nicht im Rhein-Kreis Neuss, dafür aber am Rotbach nahe Zülpich gesichtet. Während das Gewässer durch die Biber profitiere, "graben Nutrias lange Gangkanäle und ruinieren das Ufer", erklärt Lindner den feinen Unterschied. "Nutrias werden im Gegensatz zum Biber bekämpft."

Der Erftverband ist bundesweit das erste Unternehmen, das von der deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall im Aufgabenbereich Gewässer zertifiziert wurde, berichtet der Vorstandsvorsitzende.

Obwohl der Trinkwasserverbrauch an heißen Sommertagen steigt, ist immer noch genug Wasser da, beruhigt Lindner. Die Statistiken zeigen zudem, dass der Wasserbedarf in den vergangenen Jahren zurückgegangen sei.

Das Trinkwasser, das der Verband überwiegend aus der Erde fördert, wird ständig durch ein dichtes Messstellennetz überwacht. Leitungswasser könne man im Rhein-Kreis Neuss ohne Weiteres trinken. Rückstände aus der Landwirtschaft, da wo etwa Nitrat aus der Düngung ins Grundwasser laufe, bereite andernorts große Sorgen: "Da wird es allmählich dramatisch."

Wegen steigender Energiekosten werde der Betrieb der Kläranlagen immer teurer. Lindner glaubt, dass von den 42 Anlagen im Bestand in 20 Jahren nur noch die Hälfte das Abwasser reinigen werden. Man werde sich auf die großen Werke konzentrieren, Kaarst sei "als Musterklärwerk" aber nicht gefährdet.

Um Energiekosten zu sparen, wurde mit der Prüfung des Wärmeverlusts begonnen. "Faulgas aus der Kläranlage nutzen wir zur Energieerzeugung. 20 Prozent des von uns benötigten Stroms produzieren wir selbst", erklärt Lindner.

Langzeitaufgabe sei freilich die Renaturierung der Erft. Eines von 23 aktuellen Projekten: In Gnadental ist geplant, dass durch die Einbindung von verlandeten Alt-armen eine neue Gewässerlandschaft geschaffen wird.

"Wir wollen den Fluss dort um 1,3 Kilometer verlängern", berichtet Lindner, "der heutige Flusslauf wird dann verfüllt". Die Umsetzung ist ab 2015 vorgesehen. "Dort wo es geht, wollen wir wieder natürliche Überflutungsräume schaffen."

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