Museum wie ein Griechentempel

Auf engstem Raum entstand bis 1912 aus Mitteln der Familie Sels das erste städtische Museum am Markt.

Neuss. Das erste Museum der Stadt öffnete im Sommer 1912. Einem griechischen Tempel nachempfunden, stand es schräg versetzt zur historisch gewachsenen Topographie zwischen Zeughaus und der Bebauung am Markt. Ein altes Kaufhaus hatte man für den Neubau abgerissen. Im Jubiläumsjahr des Clemens-Sels-Museums hat das bei der computer-animierten 3 D-Darstellung historischer Bauten bewährte Team von Carl Pause (Clemens-Sels-Museum) und Martin Stitz (Katasteramt/LVN) jetzt das Haus „rekonstruiert“.

Pauline Sels, Witwe des Kunstsammlers und Neusser Fabrikanten Clemens Sels, hatte der Stadt dessen Sammlung sowie 250 000 Mark für einen Museumsbau vermacht. Allerdings musste der Neubau nach ihren Vorstellungen erfolgen; sonst, so hatte die Witwe angedroht, werde das Konvolut nach Düsseldorf gehen.

So entstand der „Tempel-Bau“; ein „außergewöhnliches Denkmal starken Stifterwillens“, wie es Stadtarchivar Jens Metzdorf dezent umschreibt. Den Wunsch, das Museum an die Stelle des Zeughauses zu setzen, konnten die Stadtväter immerhin noch abwenden. Das Zeughaus wurde dann durch den Neubau regelrecht in die Mangel genommen. Nach hinten heraus erhielt das Museum eine Art Apsis, die eine städtebauliche Verbindung zum benachbarten Quirinus-Münster schaffen sollte.

Das nur 33 Jahre bestehende Haus zeigte vor allem Exponate zur Stadtgeschichte, archäologische Funde von Constantin Koenen, Volkskunst und Gemälde und Skulpturen aus der Sammlung Sels. Die meisten Bestände konnten vor der Zerstörung durch Bombenangriffe 1943 und 1944 ausgelagert werden.

Nach Kriegsende prägten die Ruinen den Markt, ab 1950 baute Irmgard Feldhaus im Obertor das neue Museum auf. Offenkundig wollte niemand den alten Bau zurück. Noch vor der kompletten Räumung wurden Trümmerteile weiterverwendet; etwa zur Verschönerung von Grünanlagen oder zur Restaurierung des Zeughauses.

Das alte „Museum der Stadt Neuss“, Vorgängerbau des 1975 eröffneten Clemens-Sels-Museums, hat nun Martin Stitz in Zusammenarbeit mit Carl Pause am Computer wiederaufgebaut. Grundrisse und Fotos dienten ihm als Quelle. Auch die Kuppel konnte er rekonstruieren, die Pläne tauchten in einer anderen Akte wieder auf. Im Jubiläumsjahr kann es als Beispiel für den Zeitgeschmack stehen — so wie der schwer sanierungsbedürftige Nachfolger am Obertor.

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