Kaarst: VHS zeigt 13 Stunden Faust

Für die TV-Fassung von Goethes Tragödie war Sitzfleisch vonnöten. In der Pause wurde gegessen und diskutiert.

Kaarst. Eine große Herausforderung für Konzentration und Sitzfleisch bot die Volkshochschule Kaarst am Wochenende mit einer 13-stündigen Inszenierung von Goethes "Faust". Regisseur Peter Stein brachte erstmals zur Weltausstellung Expo 2000 in Hannover beide Teile des Stückes ungekürzt in einer Aufführung auf die Bühne. Mit Bruno Ganz in der Hauptrolle zeigte die VHS die Fernsehfassung an drei Tagen auf Großbildleinwand.

Die Zuschauer widmeten sich Freitag- und Samstagabend jeweils von 17 Uhr bis Mitternacht sowie am Sonntagnachmittag Goethes Meisterwerk. "Die Stühle waren hart, aber das Publikum war begeistert", sagte VHS-Leiter Karl-Heinz Kreuels. Etwa alle zwei Stunden wurden Pausen eingelegt, in denen bei einem gemeinsamen Essen fleißig diskutiert wurde. Obwohl der Film auch im Foyer gezeigt wurde, sodass jeder stets den kleinen Kinosaal hätte verlassen können, blieben die Gäste gespannt sitzen.

"Als ich Samstagnacht nach Hause kam, konnte ich gar nicht einschlafen, weil es so spannend war", erzählte Verena von Buch. Die Kaarsterin kannte wie die meisten Zuschauer nur den ersten Teil von "Faust".

Den hatte Werner Kindsmüller als 18-Jähriger in der Schule gelesen. "Damals war es eine Qual", erinnert er sich. Im Germanistikstudium befasste er sich dann intensiver mit der Geschichte. "Seitdem hat sie mich nicht mehr losgelassen", erzählte der heute 55-Jährige. Kindsmüller hatte auch die Idee zur Veranstaltung im VHS-Haus unter dem Motto "Faust total". "Obwohl der erste Teil 200Jahre alt ist, passt er hervorragend in die aktuelle Situation", so Kindsmüller, der ein Kenner des Dichters ist: Goethe zeichnete schon damals das Verhältnis des Menschen zu Zeit, Geld und Natur auf, weiß Kindsmüller. "Die Humunculusszene, in der ein Mensch geschaffen wird, greift das Thema Gentechnik auf", erzählt er. "In einer wunderbaren Poesie wird die Frage gestellt, was Wissenschaft und Technik alles darf", schwärmt der Faust-Fan.

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