Glückliche und arme Sozialdemokraten

Sascha Karbowiak, Heinrich Thiel und Michael Ziege kandidieren für den SPD-Vorsitz.

Neuss. Es kommt, was unvermeidbar kommen musste. Mit seiner Ankündigung, nach 22 Jahren nicht mehr für den Vorsitz in der Neusser SPD zu kandidieren, zog Benno Jakubassa (64) den Korken aus der Flasche. Und gleich drei Talente aus der Goldenen Generation der Partei wollen das personelle Vakuum nutzen, balgen sich seither um die Nachfolge des Langzeit-Chefs: Sascha Karbowiak (29), Heinrich Thiel (29) und Michael Ziege (30). Die Entscheidung fällt am politischen Aschermittwoch der SPD: 18 Uhr im Thomas-Morus-Haus Adolfstraße auf der Neusser Furth.

Glückliche Sozialdemokraten. Sie bieten gleich drei Jungstars als Kandidaten auf, wo Mitbewerber froh wären, auch nur einen 30-Jährigen als ernstzunehmenden Bewerber präsentieren zu können. Und arme Sozialdemokraten. Sie werden nach der Auszählung einen Sieger als neuen Vorsitzenden feiern — und zugleich zwei Verlierer produzieren. So geht Demokratie, sie ist auch immer Auslese. Eine Niederlage, zumal wenn sie achtbar ist, muss aber der Karriere nicht schaden.

Die Vorstellungstermine in den sechs SPD-Ortsvereinen hat das Kandidaten-Trio absolviert. Ein Favorit kristallisiert sich nicht heraus. Alle drei wissen, dass es eng wird. Alle drei nehmen aber auch mit Blick auf die Entscheidung ein „gutes Gefühl“ mit in den Wahlkampf-Endspurt. Weil alle drei ihre Stärken und Ideen in den Vordergrund stellen, blieben verbale Entgleisungen aus. Persönliche Verletzungen: Fehlanzeige. Gehen die Bewerber betont kameradschaftlich miteinander um, so kämpfen ihre Mitstreiter in der zweiten Reihe schon mal mit härteren Bandagen. „Ich hatte das Gefühl, dass da drei Kandidaten mit drei Teams im Rennen sind“, sagt ein Genosse, der nicht namentlich genannt werden möchte.

Klar ist: Wer auch immer der neue SPD-Chef wird, er wird seine beiden unterlegenen Mitbewerber nicht in die Vorstandsarbeit einbinden können. Sascha Karbowiak (Stadtmitte) und Heinrich Thiel (Furth) haben verbindlich erklärt, im Falle einer Nicht-Wahl weiterhin Ortsvereins-Vorsitzender bleiben zu wollen. Und auch Michael Ziege will, sollte er die Wahl verlieren, nur noch Vorsitzender des Kulturausschusses sein und als Ratsherr seinen Wahlkreis pflegen. Nach fünf Jahren als Neusser SPD-Vize setzt er auf Sieg und nicht auf Platz.

Ob diese frühen Festlegungen klug sind, darf bezweifelt werden. Die Partei muss so auf das Mitwirken von zwei Persönlichkeiten verzichten, die Potenzial für den Vorsitz haben. Die Kandidaten selbst verzichten auf ein starkes Mandat, wenn sie als Wahlverlierer nicht in den Vorstand eintreten, der ihnen so wichtig ist, dass sie sich für den Vorsitz in eine Kampfabstimmung begeben haben. Das Ergebnis: Hier der Stadtverband, dort die Ortsvereine mit ihren „Fürsten“ — eine Gemengelage, die von der SPD schon überwunden geglaubt war. Die Ortsvereine sind wichtige Instrumente in der Arbeit mit und für die Bürger, der Stadtverband ist das wichtigste Gremium, in dem Richtungsentscheidungen getroffen werden. Nur wer dort sitzt, wird sich auf Dauer durchsetzen.

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